Kollaps
Interesse aller Nutzer, wenn sie sich einschränken und auf eine übermäßige Ausbeutung verzichten. Aber solange es keine wirksamen Vorschriften darüber gibt, wie viel der einzelne Verbraucher entnehmen darf, wird jeder zu Recht die gleichen Überlegungen anstellen: »Wenn ich nicht diesen Fisch fange oder meine Schafe auf jener Wiese weiden lasse, tut es ein anderer Fischer oder Schafhirte, also hat es keinen Sinn, wenn ich auf Überfischung oder Überweidung verzichte.« Demnach entspricht es dem rationalen Verhalten, wenn man die Ressourcen ausbeutet, bevor der nächste Verbraucher dazu in der Lage ist, auch wenn dies schließlich zur Zerstörung des Gemeineigentums führt und deshalb alle Verbraucher schädigt.
Tatsächlich hat diese Logik dazu geführt, dass viele gemeinschaftliche Ressourcen übermäßig ausgebeutet und zerstört wurden, andere blieben aber trotz der Ausbeutung über Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende hinweg erhalten. Tragische Fälle sind die übermäßige Nutzung und der Zusammenbruch der meisten Fischbestände im Meer sowie die Ausrottung zahlreicher großer Tiere (große Säugetiere, Vögel und Reptilien) auf allen ozeanischen Inseln oder in Kontinenten, die im ersten Abschnitt der letzten 50 000 Jahre von Menschen besiedelt wurden. Zu den positiven Beispielen gehören die Erhaltung vieler lokaler Fischgründe, Wälder und Wasserquellen, beispielsweise der Forellenfischerei und der Bewässerungssysteme in Montana, die ich in Kapitel 1 beschrieben habe. Hinter solchen positiven Ergebnissen können drei verschiedene Handlungsweisen stehen, welche die nachhaltige Nutzung gemeinsamer Ressourcen ermöglichen und diese dennoch erhalten.
Eine nahe liegende Lösung besteht darin, dass die Regierung oder eine andere äußere Kraft mit oder ohne Aufforderung durch die Verbraucher eingreift und eine Quotenregelung durchsetzt. Diesen Weg gingen die shogun und daimyo im Japan der Tokugawazeit, die Inkakaiser in den Anden sowie die Prinzen und reichen Grundbesitzer im Deutschland des 16. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Holzgewinnung. In manchen Fällen (beispielsweise auf dem offenen Meer) hat er sich jedoch als nicht praktikabel erwiesen, in anderen verursacht er übermäßige Kosten für Verwaltung und Aufsicht. Eine zweite Lösung ist die Privatisierung der Ressourcen: Man verteilt sie an mehrere Einzeleigentümer, die dann im eigenen Interesse motiviert sind, sie klug zu bewirtschaften. Diese Methode wandte man im Japan der Tokugawazeit auf mehrere gemeindeeigene Wälder an. Aber auch hier gilt, dass manche Ressourcen (beispielsweise wandernde Landtiere und Fische) sich nicht unterteilen lassen, und einem Einzeleigentümer fällt es unter Umständen noch schwerer als der Küstenwache oder Polizei eines Staates, unberechtigte Eindringlinge fern zu halten.
Die letzte denkbare Lösung für die Tragödie des Gemeineigentums besteht darin, dass die Verbraucher ihr gemeinsames Interesse erkennen und selbst Nutzungsquoten festlegen, die sie durchsetzen und einhalten. Das geschieht in der Regel nur dann, wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt sind: Die Verbraucher müssen eine einheitliche Gruppe bilden; sie müssen gelernt haben, einander zu vertrauen und miteinander zu kommunizieren; sie müssen damit rechnen, dass sie eine gemeinsame Zukunft haben und die Ressource an ihre Erben weitergeben werden; sie müssen in der Lage sein und die Erlaubnis haben, sich selbst zu organisieren und zu überwachen; und die Abgrenzungen der Ressourcen wie auch die Gemeinschaft der Verbraucher müssen genau definiert sein. Ein gutes Beispiel sind die in Kapitel 1 erörterten Wasserrechte für die Bewässerung in Montana. Die Zuweisung dieser Rechte wurde gesetzlich festgeschrieben, die Bauern unterwerfen sich heute aber meist dem Wasseraufseher, den sie selbst gewählt haben, und lassen ihre Meinungsverschiedenheiten nicht mehr gerichtlich klären. Auch viele andere einheitliche Gruppen gehen klug mit Ressourcen um, die sie an ihre Kinder weitergeben wollen; Beispiele sind die Bewohner von Tikopia, die Hochlandbewohner in Neuguinea, die Angehörigen der indischen Kasten und andere, von denen in Kapitel 9 die Rede war. Diese kleinen Gruppen, aber auch die größeren Bevölkerungen in Island (Kapitel 6) und im lapan der Tokugawazeit waren außerdem durch ihre Isolation motiviert, nach Einigkeit zu streben: Der ganzen Gruppe war klar, dass sie auf absehbare Zukunft ausschließlich mit ihren eigenen Ressourcen
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