Kollaps
überleben musste. Solche Gruppen wussten, dass sie mit der berühmten Ausrede »das ist nicht mein Problem«, einem sicheren Rezept für falsche Bewirtschaftung, nicht überleben konnten.
Zu Interessenkonflikten durch rationales Verhalten kommt es häufig auch dann, wenn die Gesamtgesellschaft ein langfristiges Interesse an der Erhaltung der Ressourcen hat, der wichtigste Verbraucher aber nicht. Für die kommerzielle Holzgewinnung in den tropischen Regenwäldern beispielsweise sind heute vorwiegend internationale Holzkonzerne verantwortlich, die in der Regel kurzfristige Pachtverträge für Landflächen in einem Staat eingehen, dort den gesamten Regenwald abholzen und ihre Tätigkeit dann in einem anderen Staat fortsetzen. Eines haben diese Konzerne richtig erkannt: Nachdem sie ihre Pacht bezahlt haben, dient es ihren Interessen am besten, wenn sie den Wald so schnell wie möglich abholzen, Vereinbarungen zur Wiederaufforstung nicht einhalten und sich am Ende einfach davonmachen. Auf diese Weise wurden die Wälder in den Niederungen der malaiischen Halbinsel zum größten Teil zerstört, dann folgte Borneo, dann die Salomonen und Sumatra, derzeit sind die Philippinen an der Reihe, und in absehbarer Zukunft wird es Neuguinea, das Amazonasgebiet und das Kongobecken treffen. Was gut für die Holzkonzerne ist, ist für die Bewohner der Regionen schlecht: Sie verlieren die Möglichkeit, Produkte aus den Wäldern zu gewinnen, und haben unter den Folgen von der Bodenerosion bis zur Versandung von Flüssen zu leiden. Es ist auch schlecht für den betroffenen Staat, der einen Teil seiner biologischen Vielfalt und die Grundlage für eine nachhaltige Forstwirtschaft verliert. Die Folgen solcher Interessenkonflikte um kurzfristig gepachtete Landflächen sehen also ganz anders aus, als wenn der Holzkonzern das Land besitzt, sich auf mehrfache Nutzung einstellt und für sich selbst ein langfristiges Interesse feststellt (was auch im Interesse der örtlichen Bevölkerung und des Landes ist). Einen ähnlichen Gegensatz erkannten chinesische Bauern in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts, als sie verglichen, welche Nachteile die Ausbeutung durch zwei Arten von Kriegsherren mit sich bringt. Es war schlimm, von einem »ortsansässigen Banditen« ausgebeutet zu werden, das heißt von einem in der Gegend verwurzelten Kriegsherrn, der den Bauern zumindest so viel Ressourcen übrig ließ, dass er sie in zukünftigen Jahren erneut ausplündern konnte. Noch schlimmer war jedoch die Ausbeutung durch einen »herumziehenden Banditen«, der den Bauern - ganz ähnlich wie ein Holzkonzern mit kurzfristigen Pachtverträgen - nichts übrig ließ und einfach weiterzog, um dann die Bewohner einer anderen Region auszubeuten.
Ein weiterer Interessenkonflikt kann sich durch rationales Verhalten ergeben, wenn die Interessen der Entscheidungsträger und Machthaber im Gegensatz zu den Interessen der übrigen Gesellschaft stehen. Dies gilt vor allem dann, wenn die Elite sich von den Folgen ihrer Handlungen abschotten kann: Dann tut sie häufig Dinge, die ihr selbst nützen, ganz gleich, ob sie anderen damit einen Schaden zufügt. Solche Interessenkonflikte fanden ihren krass personifizierten Ausdruck in dem Diktator Trujillo in der Dominikanischen Republik und in der herrschenden Elite Haitis, sie werden heute aber auch in den Vereinigten Staaten immer häufiger, wo die Reichen zunehmend in abgeschirmten Wohnvierteln leben und nur noch Wasser aus Flaschen trinken. Die Vorstände des Enron-Konzerns beispielsweise kalkulierten ganz richtig, dass sie für sich selbst gewaltige Summen abzweigen konnten, wenn sie die Unternehmenskassen plünderten und damit alle Aktionäre schädigten, und sie wussten, dass sie mit diesem Spiel voraussichtlich davonkommen würden.
In der gesamten überlieferten Geschichte führten Handlungen oder Untätigkeit selbstverliebter Könige, Häuptlinge und Politiker immer wieder zum Zusammenbruch von Gesellschaften. Als Beispiele wurden in diesem Buch die Könige der Maya, die Häuptlinge der grönländischen Wikinger und die Politiker des modernen Ruanda genannt. In ihrem Buch Die Torheit der Regierenden beschreibt Barbara Tuchman berühmte historische Beispiele für katastrophale Entscheidungen, von den Trojanern, die das Pferd in ihre Mauern holten, über die Renaissancepäpste, die den protestantischen Aufstand provozierten, bis hin zu der Entscheidung Deutschlands für den uneingeschränkten U-Boot-Krieg im Ersten
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