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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Ureinwohner versuchten es in vier aufeinander folgenden Wellen als Jäger und Sammler, aber letztlich scheiterten sie ebenso wie später die Wikinger. Am Nächsten kamen die Inuit dem Erfolg: Sie konnten in Grönland 700 Jahre lang eine autarke Lebensweise aufrechterhalten, aber es war ein hartes Leben, das häufig mit dem Tod durch Verhungern endete. Die heutigen Inuit sind nicht mehr bereit, ihren Lebensunterhalt auf traditionelle Weise ohne Technik- und Lebensmittelimporte mit Steinwerkzeugen, Hundeschlitten zu sichern, oder indem sie mit Harpunen von Fellbooten aus Walle erlegen. Die moderne grönländische Regierung hat bis heute keine autarke Wirtschaft entwickelt, die von fremder Hilfe unabhängig wäre. Wie die Wikinger hat sie mit Viehzucht experimentiert, die Rinder wurden schließlich aufgegeben, und Schafzüchter, die selbst keine Gewinne erwirtschaften können, werden subventioniert. Angesichts dieser historischen Tatsachen ist es nicht verwunderlich, dass die Wikinger in Grönland letztlich scheiterten. Auch das »Scheitern« der Anasazi im Südwesten der Vereinigten Staaten muss man vor dem Hintergrund vieler anderer letztlich »fehlgeschlagener« Versuche sehen, in dieser Region, die sich so wenig für Landwirtschaft eignet, dauerhaft eine bäuerliche Gesellschaft anzusiedeln.
    Zu den schwierigsten Problemen gehören heute die eingeschleppten, schädlichen Tier- und Pflanzenarten, die sich häufig nicht mehr ausrotten oder kontrollieren lassen, nachdem sie einmal Fuß gefasst haben. Der Bundesstaat Montana wendet beispielsweise jedes Jahr mehr als 100 Millionen Dollar für die Bekämpfung der Eselswolfsmilch und anderer eingeschleppter Unkräuter auf. Das liegt nicht daran, dass die Bewohner sich nicht um ihre Ausrottung bemühen würden, sondern derzeit ist es einfach unmöglich, die Unkräuter völlig zu beseitigen. Die Wurzeln der Eselswolfsmilch reichen sechs Meter tief in den Boden, sodass man sie nicht von Hand herausziehen kann, und Chemikalien, die gezielt gegen diese Spezies wirken, kosten bis zu 200 Dollar pro Liter. In Australien hat man mit Zäunen, Füchsen, Gewehren, Bulldozern, Myxomatoseerregern und Caliciviren versucht, die Kaninchen zu bekämpfen, aber bisher haben sie alle Bemühungen überlebt.
    Das Problem der katastrophalen Waldbrände in den trockenen Bergregionen des nordamerikanischen Westens könnte man vermutlich unter Kontrolle bringen, wenn man die Brandlast mit geeigneten Bewirtschaftungsmethoden vermindern würde; dazu müsste man beispielsweise frisches Unterholz mechanisch ausdünnen und umgestürzte, tote Baumstämme entfernen. Aber diese Lösung in großem Umfang umzusetzen, würde unvertretbar hohe Kosten verursachen. Eine ähnliche kostenbedingte Unterlassung besiegelte in Florida das Schicksal der Schwarzen Strandammer, das gleichzeitig auch die übliche Strafe für zu langes Zögern darstellte (»zu wenig, und das zu spät«). Als der Lebensraum der Vögel schrumpfte, wurden Rettungsmaßnahmen verschoben, weil noch darüber diskutiert wurde, ob der Lebensraum wirklich unter die kritische Grenze zurückgehen würde. Als die Fischerei- und Jagdbehörde der Vereinigten Staaten sich Ende der achtziger Jahre schließlich bereit erklärte, den verbliebenen Lebensraum zu dem hohen Preis von fünf Millionen Dollar anzukaufen, war dieser bereits so stark zerstört, dass die Schwarzen Strandammern ausstarben. Anschließend wurde hitzig darüber diskutiert, ob man die letzten, in Gefangenschaft lebenden Schwarzen Strandammern mit der eng verwandten Scott-Strandammer kreuzen solle, um die ausgestorbene reine Spezies durch die dabei entstehenden Mischlinge zu ersetzen. Als die Genehmigung schließlich erteilt wurde, waren die letzten gefangenen Schwarzen Strandammern bereits alt und unfruchtbar. Sowohl die Erhaltung des Lebensraumes als auch die Kreuzung in der Gefangenschaft wären billiger gewesen und hätten mit größerer Wahrscheinlichkeit zum Erfolg geführt, wenn man früher damit begonnen hätte.
    Dass Gesellschaften und kleinere Gruppen katastrophale Entscheidungen treffen, kann also eine ganze Reihe von Gründen haben: Ein Problem wird nicht vorausgesehen, man nimmt es nicht wahr, wenn es da ist, man versucht nicht es zu lösen, nachdem man es wahrgenommen hat, oder eine Lösung misslingt, obwohl man sie versucht hat. Zu Beginn dieses Kapitels habe ich berichtet, wie sowohl meine Studenten als auch Joseph Tainter nicht glauben mochten, dass eine Gesellschaft sich

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