Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
Vom Netzwerk:
von ihren Umweltproblemen überrollen lässt. Jetzt, am Ende dieses Kapitels, sind wir beim anderen Extrem angelangt: Wir haben eine Fülle von Gründen benannt, warum Gesellschaften scheitern können. Alle diese Gründe sind uns aus unserer eigenen Lebenserfahrung bekannt: Für jeden davon können wir Gruppen benennen, die an einer Aufgabe gerade aus diesem Grund gescheitert sind.
    Es liegt aber auch auf der Hand, dass den Gesellschaften die Lösung ihrer Probleme durchaus nicht immer misslingt. Wäre es anders, wir wären alle tot oder würden unter den Bedingungen der Steinzeit vor 13 000 Jahren leben. In Wirklichkeit sind die Fehlschläge so bemerkenswert, dass es berechtigt war, dieses Buch über sie zu schreiben - ein Buch von begrenztem Umfang, das nur von einzelnen Gesellschaften handelt und keine Enzyklopädie über alle Gesellschaften der Menschheitsgeschichte darstellt. In Kapitel 9 haben wir gezielt einige Beispiele aus der Mehrheit der Gesellschaften erörtert, die erfolgreich waren.
    Warum aber haben manche Gesellschaften Erfolg, während andere aus den verschiedenen in diesem Kapitel beschriebenen Gründen scheitern? Zum Teil liegt es natürlich nicht an den Unterschieden zwischen den Gesellschaften, sondern an den Unterschieden zwischen ihren Umweltbedingungen: Diese werfen in manchen Fällen schwierigere Probleme auf als in anderen. Das kalte, abgelegene Grönland stellte die Menschen beispielsweise vor eine größere Herausforderung als der Süden Norwegens, aus dem ein großer Teil der grönländischen Siedler stammte. Auch die trockene, abgelegene Osterinsel mit ihren geringen Höhenunterschieden und ihrer hohen südlichen Breite war eine größere Herausforderung als das feuchte, weniger isolierte, am Äquator gelegene Tahiti mit seinen höheren Lagen, wo die Vorfahren der Osterinselbewohner vermutlich irgendwann einmal lebten. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Würde ich behaupten, solche ökologischen Unterschiede seien der einzige Grund, wenn Gesellschaften Erfolg hatten oder scheiterten, könnte man mich zu Recht des »Umweltdeterminismus« beschuldigen, einer Sichtweise, die unter Sozialwissenschaftlern sehr unbeliebt ist. In Wirklichkeit sind die Umweltbedingungen zwar sicher ein Grund, warum Gesellschaften sich in manchen Regionen schwerer durchsetzen können als in anderen, aber für jede Gesellschaft bleibt dennoch viel Spielraum, um sich durch ihr eigenes Handeln zu retten oder zum Untergang zu verdammen.
    Die Frage, warum manche Gruppen (oder einzelne Gruppenoberhäupter) einen der in diesem Kapitel erörterten Wege zum Scheitern einschlugen, während andere das nicht taten, ist nicht leicht zu beantworten. Warum gelang es beispielsweise dem Inkareich, seine trockene, kühle Umwelt wieder aufzuforsten, während es auf der Osterinsel und in Normannisch-Grönland nicht geschah? Die Antwort hat unter anderem mit den persönlichen Eigenarten einzelner Personen zu tun und entzieht sich jeder Voraussage. Dennoch hoffe ich, dass bessere Kenntnis der in diesem Kapitel beschriebenen potenziellen Ursachen für das Scheitern den Verantwortlichen helfen, sich dieser Ursachen bewusst zu werden und sie zu vermeiden.
    Ein prägnantes Beispiel, wie sich solche Kenntnisse nutzbar machen lassen, bieten die unterschiedlichen Entscheidungen, die Präsident Kennedy und seine Berater in zwei aufeinander folgenden Krisen rund um Kuba und die Vereinigten Staaten trafen. Anfang 1961 führten schlechte gruppendynamische Prozesse zu der katastrophalen Entscheidung, die Invasion in der Schweinebucht anzuordnen, die zu einem schmählichen Fehlschlag wurde und zu der viel gefährlicheren Kuba-Raketenkrise führte. Wie Irving Janis in seinem Buch Groupthink deutlich macht, lassen die Beratungen über die Schweinebucht zahlreiche Merkmale erkennen, die zu schlechten Entscheidungen führen können: Beispielsweise stellte sich ein verfrühtes Gefühl der demonstrativen Einigkeit ein, persönliche Zweifel wurden unterdrückt, abweichende Ansichten wurden verschwiegen, und der Leiter der Gruppe (Kennedy) lenkte die Diskussion in Richtung möglichst geringer Meinungsverschiedenheiten. In den späteren Beratungen zur Kuba-Raketenkrise, an der wiederum Kennedy und viele der gleichen Berater beteiligt waren, wurden solche Aspekte vermieden, und die Diskussion verlief auf Wegen, die zu produktiven Entscheidungsprozessen führten: Kennedy forderte die Teilnehmer unter anderem auf, kritisch zu denken und freimütig zu

Weitere Kostenlose Bücher