Kollaps
Verfügung, mit dem ich auf den firmeneigenen Straßen herumfahren konnte.
Aber trotz solcher Gastfreundschaft muss ich zu meinem Bedauern berichten, dass ich dort sehr schlechte Bedingungen vorfand. Das Ölfeld war schon aus großer Entfernung zu erkennen: Aus einem hohen Turm schoss eine Flamme, weil man mit dem Erdgas, das als Nebenprodukt der Ölgewinnung frei wurde, nichts anzufangen wusste und es einfach abfackelte. (Einrichtungen, um es zu verflüssigen, abzutransportieren und zu verkaufen, gab es nicht.) Um die Zufahrtstraßen durch den Wald von Sulawati zu bauen, hatte man Schneisen von 100 Metern Breite gerodet, die für viele Säugetiere, Vögel, Frösche und Reptilien aus dem Regenwald Neuguineas nicht zu überwinden waren. Auf dem Boden hatten sich an vielen Stellen Öllachen gebildet. Mir begegneten nur drei Arten großer Grüntauben - in anderen Regionen von Salawati gab es nach Berichten 14 Arten dieser großen, fleischigen, schmackhaften Vögel, die für die Jäger in Neuguinea eines der wichtigsten Ziele sind. Ein Angestellter von Pertamina beschrieb mir die Lage von zwei Brutkolonien der Tauben und erklärte, er gehe dort mit seiner Schrotflinte auf die Jagd. Nach meiner Vermutung waren die Tauben auf dem Ölfeld durch die Jagd dezimiert.
Meine zweite Erfahrung machte ich auf dem Kutubi-Ölfeld, das eine Tochterfirma des multinationalen Konzerns Chevron im Wassereinzugsgebiet des Kikori River in Papua-Neuguinea betreibt. (Als Betreiberfirma werde ich der Einfachheit halber »Chevron« nennen; in Wirklichkeit wurde das Feld von Chevron Nuigini Pty. Ltd. betrieben, einer hundertprozentigen Tochter der Chevron Corporation; das Feld war ein Joint Venture von sechs Ölfirmen, darunter auch Chevron Niugini Pty. Ltd.; der Mutterkonzern Chevron Corporation fusionierte 2001 mit Texaco zu ChevronTexaco, und 2003 verkaufte ChevronTexaco seine Anteile an dem Joint Venture, das seither von Oil Search Limited, einem anderen Partner, betrieben wird.) Die Umwelt im Wassereinzugsgebiet des Kikori River ist empfindlich und stellt ein schwieriges Arbeitsumfeld dar: Erdrutsche sind an der Tagesordnung, das Gelände besteht vorwiegend aus karstigem Kalkstein, und es gehört zu den Gebieten mit den höchsten Niederschlagsmengen der Welt (durchschnittlich 11 000 Millimeter im Jahr und bis zu 350 Millimeter am Tag). Im Jahr 1993 beauftragte Chevron den World Wildlife Fund (WWF) mit der Planung eines großen, umfassenderen Naturschutz- und Entwicklungsprojekts für das gesamte Wassereinzugsgebiet. Dabei, so die Erwartung des Unternehmens, sollte der WWF für eine wirksame Verminderung der Umweltschäden sorgen, sich bei der Regierung Papua-Neuguineas für den Umweltschutz einsetzen, in den Augen von Umweltschutzaktivisten als glaubwürdiger Partner dienen, den örtlichen Bevölkerungsgruppen wirtschaftliche Vorteile verschaffen und die Weltbank motivieren, Projekte der örtlichen Gemeinden zu unterstützen. Als Berater des WWF war ich zwischen 1998 und 2003 viermal jeweils einen Monat lang auf den Ölfeldern und in dem Wassereinzugsgebiet zu Gast. Ich konnte mich in dem ganzen Gebiet mit einem Fahrzeug des WWF ungehindert bewegen und Chevron-Mitarbeiter unter vier Augen befragen.
Als mein Flugzeug aus Port Moresby, der Hauptstadt Papua-Neuguineas, der Landepiste des Ölfeldes in Moro entgegendröhnte und die vorgesehene Ankunftszeit näher rückte, suchte ich beim Blick aus dem Flugzeugfenster nach der Infrastruktur eines Ölfelds, die sich nach meiner Vorstellung nun zeigen musste. Aber zu meiner zunehmenden Verblüffung sah ich nur Regenwald, der sich ohne Unterbrechung bis zum Horizont erstreckte. Schließlich machte ich eine Straße aus, die sich wie ein dünner, ungefähr zehn Meter breiter baumloser Streifen durch den Regenwald zog und an vielen Stellen von beiderseits überhängenden Bäumen gesäumt war - der Traum eines jeden Vogelliebhabers. Bei der Beobachtung von Vögeln im Regenwald stellt sich die praktische Schwierigkeit, dass man die Vögel im Wald selbst kaum zu Gesicht bekommt; die beste Aussicht hat man von den schmalen Wegen aus, wenn man den Wald von der Seite sieht. Hier erstreckte sich ein solcher Weg über mehr als 160 Kilometer von dem am höchsten gelegenen Ölfeld in fast 1800 Metern Höhe auf dem Mt. Moran bis zur Küste. Als ich am nächsten Tag mit meiner Übersichtsuntersuchung begann und die schmale Straße entlangwanderte, sah ich immer wieder Vögel, die sie im Flug überquerten, und
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