Kollaps
meisten anderen Eilanden im Pazifik.
Ein letztes Problem im Zusammenhang mit den geographischen Verhältnissen auf der Osterinsel ist der Niederschlag, der im Durchschnitt nur bei rund 125 Millimetern pro Jahr liegt. Nach den Maßstäben der europäischen Mittelmeerregion oder Südkaliforniens ist das zwar eine Menge, im Vergleich zu anderen polynesischen Inseln ist er aber gering. Verstärkt wird die nachteilige Wirkung der geringen Niederschlagsmenge noch dadurch, dass das Wasser in dem porösen Vulkanboden der Insel schnell versickert. Deshalb gibt es nur wenig Süßwasser: An den Abhängen des Teravaka fließt nur zu bestimmten Jahreszeiten ein einziger Bach, der aber zum Zeitpunkt meines Besuches ausgetrocknet war; am Boden von drei Vulkankratern gibt es Teiche oder Sümpfe; wo der Grundwasserspiegel dicht unter der Oberfläche liegt, hat man Brunnen gegraben; und unmittelbar vor der Küste oder zwischen Hoch- und Niedrigwasserlinie sprudeln Süßwasserquellen aus dem Meeresboden. Dennoch gelang es den Bewohnern der Osterinsel, genug Wasser zum Trinken und Kochen sowie für den Anbau von Nutzpflanzen zu gewinnen, aber das war mit großer Anstrengung verbunden.
Sowohl Heyerdahl als auch von Däniken wischten eine überwältigende Fülle von Belegen beiseite, wonach die Bewohner der Osterinsel typische Polynesier waren, die nicht aus Amerika, sondern aus Asien stammten, wobei auch klar war, dass ihre Kultur (einschließlich der Statuen) ihre Wurzeln in der polynesischen Kultur hatte. Dass sie polynesisch sprachen, hatte Captain Cook bereits 1774 bei seinem kurzen Besuch auf der Insel bemerkt: Damals konnte einer seiner Begleiter, ein Mann aus Tahiti, sich mit den Inselbewohnern unterhalten. Genauer gesagt, sprachen sie einen ostpolynesischen Dialekt, der mit den Sprachen Hawaiis und der Marquesas-Inseln verwandt war, und die engste Verwandtschaft bestand mit dem Dialekt, der unter dem Namen Frühmangarevanisch bekannt ist. Ihre Angelhaken, Steinbeile, Harpunen, Korallensägen und andere Werkzeuge waren typisch für Polynesien und ähnelten insbesondere frühen Modellen von den Marquesas-Inseln. An ihren Schädeln erkennt man in vielen Fällen ein charakteristisches polynesisches Merkmal, das unter dem Namen »Rockerkiefer« bekannt ist. Bei der Analyse der DNA aus zwölf Skeletten, die unter einer Steinplattform auf der Osterinsel begraben waren, fand man in allen zwölf Fällen eine Deletion von neun Basenpaaren und drei Basensubstitutionen, die bei den meisten Polynesiern vorkommen. Zwei dieser drei Substitutionen gibt es bei den amerikanischen Ureinwohnern nicht, und deshalb sprechen die genetischen Befunde gegen Heyerdahls Behauptung, die Urbevölkerung Amerikas habe zum Genbestand der Osterinsel beigetragen. Bei den Nutzpflanzen auf der Osterinsel handelte es sich um Bananen, Taro, Süßkartoffeln, Zuckerrohr und Papiermaulbeerbäume, typisch polynesische Arten, die in ihrer Mehrzahl aus Südostasien stammen. Hühner, die einzigen Haustiere der Insel, waren ebenso typisch für Polynesien und letztlich für Asien, und das Gleiche galt sogar für die Ratten, die als blinde Passagiere mit den Kanus der ersten Siedler eingeschleppt wurden.
Die Ausbreitung der Polynesier war in der gesamten Vorgeschichte der Menschheit die spektakulärste Siedlungswelle auf dem Wasserweg. Bis 1200 v. Chr. war die Ausbreitung der Menschen vom asiatischen Festland über die indonesische Inselwelt bis nach Australien und Neuguinea vorangekommen, aber im Pazifik reichte sie noch nicht weiter als bis zu den Salomonen östlich von Neuguinea. Ungefähr zu dieser Zeit fuhr ein Volk von Bauern und Seefahrern, das offensichtlich aus dem Bismarck-Archipel nordöstlich von Neuguinea stammte und Keramik im so genannten Lapitastil herstellte, von den Salomonen fast 1500 Kilometer über das offene Meer nach Osten und gelangte auf die Fiji-Inseln sowie nach Samoa und Tonga; dort wurden diese Menschen zu den Vorfahren der Polynesier. Obwohl man in Polynesien weder den Kompass noch eine Schriftsprache oder Metallwerkzeuge kannte, waren die Bewohner der Inseln Meister der Navigation und der Seefahrt mit Kanus. Von den ungefähren Zeitpunkten und Routen ihrer Expansion zeugt eine Fülle archäologischer Belege, die mit der Radiokarbonmethode datiert wurden -Keramik und Steinwerkzeuge, Überreste von Häusern und Tempeln, Lebensmittelabfälle und menschliche Skelette. Ungefähr um 1200 n.Chr. hatten die Polynesier in dem riesigen Ozeandreieck
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