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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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zwischen Hawaii, Neuseeland und der Osterinsel jedes bewohnbare Fleckchen Land besiedelt.
    Früher gingen die Historiker davon aus, dass alle diese polynesischen Inseln durch Zufall entdeckt und besiedelt wurden, weil Fischer mit ihren Kanus gelegentlich vom Kurs abkamen. Heute ist man sicher, dass sowohl die Entdeckung als auch die Besiedlung sorgfältig geplant waren. Anders als man es bei einer ungewollten Irrfahrt erwarten würde, wurde Polynesien vorwiegend von Westen nach Osten besiedelt, entgegen der vorherrschenden Richtung von Wind und Meeresströmungen, die von Osten nach Westen verlaufen. Vermutlich wurden neue Inseln also von Seefahrern entdeckt, die auf einer vorbestimmten Route gegen den Wind ins Unbekannte segelten oder darauf warteten, dass die vorherrschende Windrichtung sich vorübergehend umkehrte. Die Ausbreitung vieler Nutzpflanzen- und Nutztierarten - von Taro bis zu Bananen und von Schweinen bis zu Hunden und Hühnern - zeigt zweifelsfrei, dass die Besiedlung gut vorbereitet war. Die Siedler nahmen aus ihrer Heimat jene Produkte mit, die ihnen für das Überleben in der neuen Kolonie unentbehrlich erschienen.
    Die erste Ausbreitungswelle der Lapita-Keramiker, die zu den Vorfahren der Polynesier wurden, kam im Pazifik bis zu den Fiji-Inseln sowie nach Samoa und Tonga voran, die jeweils per Boot nur wenige Tagereisen voneinander entfernt sind. Eine viel größere Wasserfläche trennt diese westpolynesischen Inseln von denen weiter im Osten, den Cook-, Gesellschafts-, Marquesas-, Tuamotu- und Hawaii-Inseln sowie Neuseeland, der Pitcairn-Gruppe und der Osterinsel. Diese Barriere wurde erst nach einer »langen Pause« von rund 1500 Jahren überwunden - vielleicht durch Verbesserungen in Kanubau und Navigation, vielleicht aber auch durch Veränderungen der Meeresströmungen, einen sinkenden Meeresspiegel, der Inseln als Zwischenstationen freilegte, oder einfach durch besonderes Glück auf einer Reise. Ungefähr um 600 bis 800 n. Chr. (der genaue Zeitpunkt ist umstritten) wurden die Cook-, Gesellschafts- und Marquesas-Inseln besiedelt, die unter allen Inseln im Osten Polynesiens am einfachsten zugänglich sind, und sie wurden ihrerseits zum Ausgangspunkt für die Besiedlung der restlichen Inselgruppe. Nachdem Menschen um 1200 n. Chr. über eine riesige, mindestens 3200 Kilometer breite Wasserfläche hinweg auch nach Neuseeland gelangt waren, war die Besiedlung der bewohnbaren Inseln im Pazifik endlich abgeschlossen.
    Aber auf welcher Route wurde die Osterinsel besiedelt, die von allen Inseln Polynesiens am weitesten östlich liegt? Eine direkte Reise von den Marquesas-Inseln, die eine große Bevölkerung beherbergten und wahrscheinlich der unmittelbare Ausgangspunkt für die Besiedlung von Hawaii waren, kam wegen der Wind- und Strömungsverhältnisse wahrscheinlich nicht infrage. Stattdessen ging die Besiedlung der Osterinsel vermutlich eher von Mangareva, Pitcairn und Henderson aus, die ungefähr auf halbem Weg zwischen den Marquesas-Inseln und der Osterinsel liegen; das Schicksal ihrer Bevölkerung ist Gegenstand des nächsten Kapitels (Kapitel 3). Die Ähnlichkeiten zwischen der Sprache der Osterinsel und der des frühen Mangarevanisch, zwischen einer Statue auf Pitcairn und manchen frühen Statuen von der Osterinsel sowie zwischen der Machart der Werkzeuge auf der Osterinsel, Mangareva und Pitcairn, aber auch Übereinstimmungen zwischen Schädeln von der Osterinsel und zwei Schädeln von Henderson Island, die ihnen noch mehr ähneln als solchen von den Marquesas-Inseln lassen auf Mangareva, Pitcairn und Henderson als Zwischenstationen schließen. Im Jahr 1999 gelang es, mit dem rekonstruierten polynesischen Segelkanu Hokulea nach 17-tägiger Seereise von Mangareva aus die Osterinsel zu erreichen. Für uns moderne Landratten ist es buchstäblich unglaublich, dass Seefahrer sich von Mangareva nach Osten auf den Weg machten und dann nach einer derart langen Reise das Glück hatten, auf eine Insel zu treffen, die von Norden nach Süden nicht mehr als 15 Kilometer misst. Aber die Polynesier wussten über eine Insel Bescheid, lange bevor das Land in Sicht kam; als Anhaltspunkte dienten ihnen dabei die Seevogelschwärme, die in einem Umkreis von mehr als 150 Kilometern um eine Insel nach Nahrung suchten. Die Osterinsel (die ursprünglich eine der größten Seevogelkolonien im ganzen Pazifikraum beherbergte) hatte also für die Polynesier den ansehnlichen Durchmesser von über 300 Kilometern und war

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