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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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besten für die Landung und bietet sich deshalb auch als Stützpunkt der ersten Siedler an. Die Datierung der Delphinknochen erfolgte mit einer modernen Abwandlung der Radiokarbonmethode, die als AMS (Beschleuniger-Massenspektrometrie) bekannt ist, und bei der Auswertung der Ergebnisse wurde berücksichtigt, dass man bei der Datierung der Knochen von Meereslebewesen eine Korrektur anbringen muss. Die so ermittelten Zeitpunkte dürften sehr dicht bei der Zeit der Erstbesiedelung liegen, denn die entsprechenden archäologischen Schichten enthielten auch Knochen einheimischer Landvögel, die auf der Osterinsel und vielen anderen Pazifikinseln sehr schnell ausgerottet wurden; außerdem standen Kanus, mit denen man Delphine jagen konnte, wenig später nicht mehr zur Verfügung. Nach der derzeit besten Schätzung wurde die Osterinsel irgendwann kurz vor dem Jahr 900 n. Chr. besiedelt.
    Was haben die Inselbewohner gegessen, und wie viele waren es? - Zur Zeit der ersten europäischen Entdecker bestritten sie ihren Lebensunterhalt vorwiegend als Bauern; angebaut wurden Süßkartoffeln, Yamswurzeln, Taro, Bananen und Zuckerrohr, als einzige Haustiere wurden Hühner gehalten. Da es vor der Osterinsel weder Korallenriffe noch eine Lagune gab, trugen Fische und Schalentiere weniger zur Ernährung bei als auf den meisten anderen Inseln Polynesiens. Den ersten Siedlern standen See- und Landvögel sowie Delphine zur Verfügung, aber wie wir noch genauer erfahren werden, gingen die Bestände dieser Tiere später zurück oder verschwanden ganz. Dies führte zu einer kohlenhydratreichen Ernährung, und verstärkt wurde dieser Effekt noch dadurch, dass die Inselbewohner als Ersatz für die begrenzten Wasservorräte große Mengen von Zuckerrohrsaft tranken. Einen Zahnarzt kann es deshalb nicht überraschen, dass die Inselbewohner unter allen prähistorischen Völkern, die man kennt, mit am häufigsten an Karies litten; viele Kinder hatten schon mit 14 Jahren Löcher in den Zähnen, und spätestens nach dem 20. Lebensjahr gab es niemanden mehr, der frei davon war.
    Wie groß die Bevölkerung auf der Osterinsel zu ihrer Blütezeit war, hat man unter anderem dadurch abgeschätzt, dass man die Zahl der Hausfundamente zählte und mit fünf bis 15 Personen je Haus rechnete; dabei ging man davon aus, dass jeweils ein Drittel aller nachgewiesenen Häuser gleichzeitig bewohnt war, oder man schätzte die Zahl der Häuptlinge und ihrer Anhänger nach der Zahl der Plattformen und der aufgerichteten Statuen ab. Die so gewonnenen Schätzungen reichen von 6000 bis zu 30 000 Menschen, was einem Durchschnitt von 35 bis 174 Menschen je Quadratkilometer entspricht. Manche Gebiete der Insel, beispielsweise die Poike-Halbinsel und die höchsten Lagen, eigneten sich weniger gut für die Landwirtschaft, sodass die Bevölkerungsdichte in den besseren Regionen etwas höher gelegen haben dürfte; viel höher war sie allerdings sicher nicht, denn aus archäologischen Übersichtsuntersuchungen weiß man, dass die Landfläche zum allergrößten Teil genutzt wurde.
    Wie immer, wenn Archäologen unterschiedliche Schätzungen über die Bevölkerungsdichte in historischer Zeit abgeben, bezeichnen sie gegenseitig ihre Angaben als absurd. Ich selbst bin der Ansicht, dass die höheren Schätzungen vermutlich eher stimmen, unter anderem, weil sie von den Archäologen stammen, die in letzter Zeit bei der Vermessung der Osterinsel die umfangreichsten Erfahrungen gesammelt haben: Claudio Cristino, Patricia Vargas, Edmundo Edwards, Chris Stevenson und Jo Anne Van Tilburg. Außerdem stammt die erste zuverlässige Schätzung für die Bevölkerung der Osterinsel - 2000 Menschen -von Missionaren, die sich 1864 dort niederließen, kurz nachdem der größte Teil der Bevölkerung einer Pockenepidemie zum Opfer gefallen war. Zuvor, in den Jahren 1862/63, hatten peruanische Sklavenschiffe bereits 1500 Inselbewohner entführt, und seit 1836 hatte es zwei weitere nachgewiesene Pockenepidemien gegeben. Mit ziemlicher Sicherheit hatten seit 1770, als Europäer regelmäßig zu Besuch kamen, weitere nicht schriftlich belegte Krankheitsepidemien gewütet, und seit dem 17. Jahrhundert war es zu dem Bevölkerungszusammenbruch gekommen, den wir im Folgenden erörtern werden. Dasselbe Schiff, das die Pocken zum dritten Mal auf die Osterinsel brachte, fuhr anschließend weiter zu den Marquesas-Inseln, und dort starben bekanntermaßen sieben Achtel der Bevölkerung an der nachfolgenden Epidemie. Aus

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