Kollaps
Schweizer Autors Erich von Däniken, der an Besuche außerirdischer Astronauten auf der Erde glaubte, waren die Statuen auf der Osterinsel das Werk intelligenter Raumfahrer, die ultramoderne Werkzeuge besaßen, auf der Insel strandeten und später von dort gerettet wurden.
Mittlerweile gibt es für diese Rätsel eine andere Erklärung. Danach wurden die Statuen nicht mit hypothetischen Gerätschaften aus dem Weltraum hergestellt, sondern mit den steinernen Äxten und anderen Werkzeugen, die nachweislich im Steinbruch Rano Raraku herumliegen, und man schreibt sie auch nicht Inkas oder Ägyptern zu, sondern den bekannten polynesischen Bewohnern. Diese Geschichte ist ebenso romantisch und spannend wie die vermeintlichen Besuche durch Kon-Tiki -Flöße oder Außerirdische - und sie ist von viel größerer Bedeutung für das, was heute auf der Welt vorgeht. Außerdem eignet sie sich gut als Einleitung für eine Reihe von Kapiteln über Gesellschaften früherer Zeiten, denn sie erweist sich als die beste denkbare Annäherung an eine ausschließlich ökologische Katastrophe, die sich in völliger Isolation abspielte.
Die Osterinsel ist dreieckig. Sie besteht aus drei Vulkanen, die sich zu verschiedenen Zeiten innerhalb der letzten wenigen Millionen Jahre dicht nebeneinander aus dem Meer erhoben und während der gesamten Zeit, als die Insel von Menschen besiedelt war, nicht mehr ausgebrochen sind. Der älteste Vulkan heißt Poike: er brach vor 600 000 Jahren (vielleicht aber auch vor bis zu drei Millionen Jahren) aus und bildet heute die Südostecke des Dreiecks. Später entstand durch einen Ausbruch des Rano Kau die Südwestecke. Vor rund 200 000 Jahren wurde bei einem Ausbruch des jüngsten Vulkans Terevaka, dessen Mittelpunkt nicht weit von der nördlichen Ecke des Dreiecks entfernt ist, eine große Lavamenge frei, die heute 95 Prozent der Insel bedeckt.
Mit einer Fläche von 171 Quadratkilometern und einer größten Höhe von 500 Metern hat die Osterinsel nach polynesischen Maßstäben bescheidene Ausmaße. In ihrer vorwiegend sanften Landschaft fehlen die tiefen Täler, die jedem Besucher der Hawaii-Inseln vertraut sind. Abgesehen von den Kratern mit ihren steilen Abhängen und den Schlackekegeln kann man nach meiner Erfahrung auf der Osterinsel fast überall gefahrlos in gerader Linie zu jeder Stelle in der Nähe gelangen, auf Hawaii oder den Marquesas-Inseln dagegen würde man auf einer solchen Route sehr schnell von irgendeiner Klippe stürzen.
Mit seiner subtropischen Lage auf 27 Grad südlicher Breite - womit sie ungefähr ebenso weit südlich vom Äquator liegt wie Miami oder Taipeh nördlich davon - hat die Osterinsel ein mildes Klima, und da sie erst in jüngerer Zeit durch Vulkantätigkeit entstanden ist, verfügt sie über einen fruchtbaren Boden. Schon durch diese günstigen Eigenschaften sollte die Insel alle Voraussetzungen für ein kleines Paradies bieten, ohne die Probleme, von denen große Teile der übrigen Welt geplagt werden. Aber ihre geographischen Verhältnisse stellten die menschlichen Siedler auch vor mehrere schwierige Aufgaben. Ein subtropisches Klima ist zwar im Vergleich zum europäischen oder nordamerikanischen Winter sehr warm, nach den Maßstäben Polynesiens jedoch, das vorwiegend in den Tropen lebt, ist es kühl. Mit Ausnahme von Neuseeland, Chatham Island, Norfolk Island und Rapa liegen alle Inseln, die von Polynesiern besiedelt wurden, dichter am Äquator als die Osterinsel. Manche tropischen Nutzpflanzen, die ansonsten in Polynesien von großer Bedeutung sind, wie beispielsweise die Kokosnuss (die auf der Osterinsel erst in moderner Zeit eingeführt wurde), gedeihen hier nur schlecht, und das umgebende Meer ist so kalt, dass Korallenriffe mit ihren Fischen und Schalentieren nicht bis zur Wasseroberfläche wachsen können. Wie Barry Rolett und ich auf unseren Wanderungen am Teravaka und Poike außerdem feststellten, ist es auf der Osterinsel sehr windig, was den Bauern in früheren Zeiten Probleme bereitete und auch heute noch bereitet. Der Wind reißt die in jüngster Zeit eingeführten Brotfrüchte vom Baum, bevor sie reif sind. Wegen ihrer isolierten Lage war die Osterinsel nicht nur arm an Rifffischen, sondern es gab hier ganz allgemein wenig Fische -nur 127 Arten im Vergleich zu mehr als 1000 auf den Fiji-Inseln. Alle diese geographischen Faktoren führten dazu, dass den Bewohnern der Osterinsel wesentlich weniger Nahrungsquellen zur Verfügung standen als den Siedlern auf den
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