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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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diesen Gründen halte ich es für unmöglich, dass die Bevölkerung von 2000 Menschen, die 1864 nach den Pocken noch übrig geblieben war, den Rest einer Bevölkerung von nur 6000 bis 8000 Personen darstellte, die es vor den Pocken, vor der Entführung, vor anderen Epidemien und vor dem Bevölkerungszusammenbruch des 17. Jahrhunderts gegeben hatte. Nachdem ich auf der Osterinsel mit eigenen Augen die Indizien für intensive prähistorische Landwirtschaft gesehen habe, erscheint mir Claudios und Edmundos »hohe« Schätzung von mindestens 15 000 Bewohnern keineswegs verwunderlich.
    Für eine solche Intensivierung der Landwirtschaft gibt es mehrere Indizien. Eines davon sind Gruben mit einem Durchmesser von eineinhalb bis zweieinhalb Metern und rund 1,20 Meter Tiefe, die mit Steinen ausgekleidet sind und Kompost enthielten. Sie dienten zum Anbau von Pflanzen und möglicherweise auch dazu, Gemüse vergären zu lassen. Ein anderer Beleg sind zwei steinerne Dämme quer durch das Bett des nur jahreszeitlich wasserführenden Baches, der den Südosthang des Terevaka entwässerte. Sie sollten das Wasser in Richtung der breiten Steinplattformen ableiten. Dieses Wasserverteilungssystem ähnelt ähnlichen Anlagen, mit denen die Taroplantagen auch an anderen Stellen in Polynesien bewässert wurden. Auch die zahlreichen aus Stein errichteten Hühnerställe (die hier hare moa genannt werden) sprechen für eine intensive Landwirtschaft. Sie sind meist bis zu sechs Meter lang (einige riesige Exemplare auch bis zu 21 Meter), drei Meter breit und 1,80 Meter hoch; durch einen kleinen Eingang dicht über dem Boden konnten die Hühner hinein- und hinauslaufen, und eine Steinmauer rund um den angrenzenden Hof verhinderte, dass die kostbaren Vögel wegliefen oder gestohlen wurden. Gäbe es auf der Osterinsel neben den vielen großen, aus Stein errichteten hare moa nicht auch die noch größeren steinernen Plattformen und Statuen, wäre sie bei den Touristen als Insel der steinernen Hühnerställe bekannt. Die Bauwerke sind an vielen Küstenabschnitten das beherrschende Element im Landschaftsbild, denn heute sind die prähistorischen Hühnerställe - insgesamt 1233 - viel auffälliger als die Behausungen der prähistorischen Menschen, die nur steinerne Fundamente oder Innenhöfe besaßen, aber keine steinernen Mauern.
    Die am häufigsten angewandte Methode zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion, bei der man sich auf verschiedene Weise des Lavagesteins bediente, wurde von dem Archäologen Chris Stevenson genauer untersucht. Man schichtete große Felsblöcke auf, um die Pflanzen vor der Austrocknung durch den häufig sehr starken Wind zu schützen. Strukturen aus kleineren Steinen schützten erhöht liegende oder in Senken angelegte Gärten, wo man Bananen anbaute und auch Keimlinge züchtete, die dann, wenn sie größer waren, an andere Stellen verpflanzt wurden. Auf großen Flächen wurden in geringen Abständen Steinblöcke ausgelegt, sodass die Pflanzen zwischen ihnen heranwachsen konnten.
    Andere Gebiete wurden durch so genannten »Steinmulch« verändert: Auf dem Boden wurden Steine bis auf eine Höhe von 30 Zentimetern aufgeschichtet, wobei man entweder Blöcke von nahe gelegenen freiliegenden Felsen herantransportierte oder den Boden so weit abtrug, dass man das Muttergestein aufbrechen konnte. Auf natürlichen Geröllfeldern wurden Vertiefungen ausgehoben, in denen man Taro anbauen konnte. Die Anlage der steinernen Windschutzwälle und Gärten erforderte einen gewaltigen Arbeitsaufwand, denn man musste dazu Millionen oder sogar Milliarden von Felsbrocken bewegen. Als ich mit dem Archäologen Barry Rolett, der bereits in anderen Teilen Polynesiens tätig war, zum ersten Mal die Osterinsel besuchte, sagte er zu mir: »Ich war noch nie auf einer polynesischen Insel, wo die Menschen so verzweifelt gewesen wären, dass sie wie hier kleine Steine im Kreis aufschichteten, um ein paar mickrige Taropflanzen vor dem Wind zu schützen ! Auf den Cook-Inseln haben sie den Taro bewässert, aber so viel Mühe hätten sie sich nie gemacht!«
    In der Tat: Warum nahmen die Bauern auf der Osterinsel diese Arbeit auf sich? Auf den Farmen im Nordosten der Vereinigten Staaten, wo ich als Junge den Sommer verbrachte, schleppten die Bauern mit viel Mühe die Steine von den Feldern weg, und über den Gedanken, absichtlich Steine auf die Felder zu tragen, wären sie entsetzt gewesen. Welchen Vorteil hat ein Feld voller Steine?
    Die Antwort liegt in

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