Kollaps
dem bereits beschriebenen Klima der Osterinsel: Dort ist es windig, trocken und kühl. Die Landwirtschaft mit Steingärten oder Steinmulch erfanden die Bauern unabhängig voneinander auch in vielen anderen trockenen Regionen der Welt, beispielsweise in der israelischen Negev-Wüste, in der Wüste im Südwesten der USA sowie in den trockenen Gegenden von Peru und China, im römischen Italien und in Neuseeland zur Zeit der Maori. Steine decken den Boden ab und halten die Feuchtigkeit fest, vermindern die Verdunstung durch Sonne und Wind, und ersetzen die harte Kruste an der Bodenoberfläche, die ansonsten das Ablaufen des Niederschlags begünstigen würde. Steine vermindern die täglichen Schwankungen der Bodentemperatur, weil sie die Sonnenwärme tagsüber aufnehmen und nachts wieder abgeben; sie schützen den Boden gegen Erosion durch auftreffende Regentropfen; heller Boden wird durch dunkle Steine erwärmt, weil diese mehr Sonnenwärme aufnehmen; und Steine können auch als langfristiges Düngemittel wirken, weil sie wichtige Mineralstoffe enthalten, die nach und nach in den Boden einsickern. In jüngster Zeit wollte man im Südwesten der USA durch Experimente herausfinden, warum die Anasazi (Kapitel 4) sich des Steinmulches bedienten; dabei stellte sich heraus, dass der Mulch den Bauern große Vorteile bietet. Ein derart behandelter Boden enthält am Ende doppelt so viel Feuchtigkeit, die Bodentemperatur ist tagsüber niedriger und nachts höher, und alle 16 getesteten Pflanzenarten lieferten einen höheren Ertrag - er betrug im Durchschnitt der 16 Arten das Vierfache, und bei der Art, die von dem Mulch am stärksten profitierte, lag er sogar 50-mal höher. Die Vorteile sind also beträchtlich.
Chris Stevenson deutete seine Untersuchungsergebnisse als Beleg, dass die Landwirtschaft auf der Osterinsel durch zunehmende Verwendung der Steine intensiviert wurde. Nach seiner Ansicht blieben die Bauern während der ersten 500 Jahre der polynesischen Besiedlung in den Niederungen wenige Kilometer von der Küste entfernt, weil es dort Süßwasser gab und weil sie besser Fische und Schalentiere fangen konnten. Erste Belege für Steingärten erkennt er in der Zeit um 1300 n. Chr. in den höheren Lagen landeinwärts, wo sich der Vorteil eines höheren Niederschlages mit kühleren Temperaturen verband (wobei Letztere mit den dunklen Steinen durch Steigerung der Bodentemperatur abgemildert wurden). Im weiteren Verlauf wurde das Innere der Osterinsel zum größten Teil zu Steingärten umgestaltet. Interessanterweise lebten die Bauern selbst offensichtlich nicht im Inneren der Insel. Dort gibt es nur wenige Überreste von kleinen Häusern für einfache Arbeiter, keine Hühnerställe und nur kleine Öfen und Abfallhaufen. Stattdessen findet man aber vereinzelt Häuser eines gehobenen Typs; diese gehörten offensichtlich den Verwaltern aus der Oberschicht, die umfangreiche Steingärten im Stil großer Plantagen (im Gegensatz zu individuellen Hausgärten) verwalteten und Nahrungsmittelüberschüsse für die Arbeitskräfte des Häuptlings produzierten, während die Bauern weiterhin in der Nähe der Küste wohnten und jeden Tag mehrere Kilometer landeinwärts und wieder zurück wandern mussten. Den Verlauf dieses täglichen Pendelverkehrs kennzeichnen vermutlich fünf Meter breite Straßen mit steinernen Begrenzungen, die sich vom Hochland zur Küste ziehen. Wahrscheinlich erforderten die hoch gelegenen Plantagen keine ganzjährige Arbeit: Im Frühjahr mussten die Bauern dorthin marschieren, um Taro und andere Pflanzen anzubauen, und später im Jahr kamen sie zur Ernte.
Wie an anderen Stellen in Polynesien, so gliederte sich die traditionelle Gesellschaft auch auf der Osterinsel in Häuptlinge und gemeines Volk. Für heutige Archäologen ist der Unterschied an den Überresten der Häuser beider Gruppen deutlich zu erkennen. Häuptlinge und Angehörige der Elite lebten in so genannten hare paenga, Häusern in Form eines langen, schlanken, umgedrehten Kanus, die in der Regel ungefähr 12 Meter (in einem Fall aber auch etwa 100 Meter) lang, nicht mehr als drei Meter breit und an den Enden abgerundet waren. Wände und Dach des Hauses (die dem umgedrehten Rumpf des Bootes entsprachen) bestanden aus drei Lagen Stroh, aber der Boden war durch sauber behauene, eingepasste Fundamentsteine aus Basalt begrenzt. Insbesondere die runden, abgeschrägten Steine an den Enden waren schwierig herzustellen und deshalb kostbar, sodass sie unter den
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