Kollaps
dass der Ahu Nau Nau in Anakena in drei Phasen errichtet und umgebaut wurde, wobei die erste um 1100 n. Chr. begann und die letzte um 1600 endete. Die ersten ahu ähnelten vermutlich den marae auf anderen polynesischen Inseln und trugen überhaupt keine Statuen. Die vermutlich ältesten moai wurden später zum Bau der Wände von ahu und anderen Bauwerken wieder verwendet. Sie sind meist kleiner, rundlicher und menschenähnlicher als spätere Statuen und bestehen nicht aus dem Tuffstein von Rano Raraku, sondern aus verschiedenen anderen Arten von Vulkangestein.
Schließlich verfielen die Bewohner der Osterinsel aber auf den Vulkantuff von Rano Raraku, und einfach deshalb, weil er sich für Steinmetzarbeiten mit Abstand am besten eignete. Er hat eine harte Oberfläche, aber darunter ähnelt seine Konsistenz der von Asche, und deshalb ist er leichter zu bearbeiten als der sehr harte Basalt. Im Vergleich zur Rotschlacke ist der Tuff weniger zerbrechlich, sodass er sich besser zum Polieren und zum Herausarbeiten von Details eignet. Soweit man eine relative Datierung ableiten kann, wurden die Statuen von Rano Raraku im Lauf der Zeit immer größer, immer rechteckiger, immer stärker stilisiert, und obwohl jede Statue sich geringfügig von allen anderen unterscheidet, kam es fast zu einer Art Massenproduktion. Paro, die größte jemals aufgerichtete Statue, war auch eine der jüngsten.
Die Größenzunahme der Statuen lässt auf eine Konkurrenz zwischen den Häuptlingen schließen, die sich mit den in Auftrag gegebenen Bildwerken gegenseitig übertrumpfen wollten. Die gleiche Schlussfolgerung ergibt sich auch aus einem offenkundig sehr späten Merkmal, das als pukao bezeichnet wird: Ein Zylinder aus Rotschlacke, der bis zu 12 Tonnen wog (so schwer ist er bei Paro) und als eigenständiges Stück oben auf dem abgeflachten Kopf eines moai angebracht wurde. (Wenn man das liest, muss man sich fragen: Wie konnten die Inselbewohner ohne Kräne einen Block von zwölf Tonnen so handhaben, dass er schließlich auf dem Kopf einer zehn Meter hohen Statue balancierte? Das ist eines der Rätsel, die Erich von Däniken veranlassten, Außerirdische zu Hilfe zu rufen. Experimente aus jüngerer Zeit legen eine profanere Antwort nahe: Der pukao und die Statue wurden wahrscheinlich gemeinsam aufgerichtet.) Was der pukao darstellen soll, wissen wir nicht genau; einer begründeten Vermutung zufolge ist er das Abbild eines Schmucks aus roten Vogelfedern, die in ganz Polynesien hoch geschätzt wurden und den Häuptlingen vorbehalten waren, oder vielleicht symbolisierte er auch einen Hut aus Federn und Tapastoff. Als beispielsweise eine spanische Expedition auf die Pazifikinsel Santa Cruz kam, machten nicht die spanischen Schiffe, Schwerter, Gewehre oder Spiegel den größten Eindruck auf die Einheimischen, sondern die roten Stoffe. Die Rotschlacke aller pukao stammte aus einem einzigen Steinbruch namens Puna Pau, und dort sah ich (genau wie in der moai-Werkstatt von Rano Raraku mit ihren unfertigen Statuen) nicht vollendete pukao und einige fertige Stücke, die auf den Abtransport warteten.
Insgesamt kennen wir nicht mehr als 100 pukao. Sie waren für Statuen auf den größten und reichsten ahu reserviert, die in der Vorgeschichte der Osterinsel sehr spät errichtet wurden. Ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, dass sie als Ausdruck von Prahlerei errichtet wurden. Es ist, als würden sie sagen: »Na gut, du kannst also eine Statue von neun Metern Höhe errichten, aber sieh mich an: Ich kann auf meiner Statue noch diesen pukao von 12 Tonnen setzen; das musst du erst mal nachmachen, du Schwächling!«
Plattformen und Statuen waren in Polynesien also weit verbreitet. Warum waren die Bewohner der Osterinsel dann die Einzigen, die derartig über die Stränge schlugen, die bei weitem größten gesellschaftlichen Ressourcen in ihren Bau investierten und die größten Exemplare errichteten? Dazu trugen mindestens vier Faktoren bei. Erstens ist der Tuff von Rano Raraku im ganzen Pazifikraum das beste Gestein für Bildhauerarbeiten: Für einen Bildhauer, der sich sonst mit Basalt und Rotschlacke herumgeschlagen hatte, schrie er geradezu danach, bearbeitet zu werden. Zweitens verwendeten andere Gesellschaften im Pazifikraum, die in wenigen Tagereisen ihre Nachbarinseln erreichen konnten, viel mehr Energie, Ressourcen und Arbeitskraft auf den Handel zwischen den Inseln, Überfälle, Entdeckungsreisen, Besiedlung und Auswanderung, aber solche
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