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Kollaps

Kollaps

Titel: Kollaps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Henderson fügten die Menschen ihrer Umwelt schwere Schäden zu, und damit zerstörten sie viele Ressourcen, die sie für ihr eigenes Leben brauchten. Die Bewohner von Mangareva waren so zahlreich, dass sie überlebten, wenn auch unter chronisch entsetzlichen Bedingungen und mit einem drastisch verminderten Lebensstandard. Auf Pitcairn und Henderson dagegen waren die Menschen von Anfang an, noch bevor die Umweltschäden sich häuften, auf importierte landwirtschaftliche Produkte, Technologie, Steine, Muschelschalen und Zuwanderer von ihrer Mutterinsel Mangareva angewiesen. Als diese wegen des Niederganges nicht mehr zu Exporten in der Lage war, konnten alle heldenhaften Anpassungsbemühungen die letzten lebenden Menschen auf Pitcairn und Henderson nicht mehr retten. Und wer nun den Eindruck hat, diese Inseln seien räumlich und zeitlich so weit entfernt, dass sie für unsere moderne Gesellschaft keine Bedeutung haben, der braucht nur an die Gefahren (und an den Nutzen) unserer zunehmenden Globalisierung und der wachsenden wirtschaftlichen Verflechtungen zu denken. Viele wirtschaftlich wichtige, aber ökologisch empfindliche Gebiete (man denke nur an das Öl) haben schon heute Auswirkungen auf uns alle, genau wie Mangareva sich auf Pitcairn und Henderson auswirkte.

KAPITEL 4
Altvordere: Die Anasazi und ihre Nachbarn
    Wüstenbauern ■ Baumringe ■ Bewässerungsmethoden für Nutzpflanzen ■ Chacos Probleme und Buschratten ■ Regionale Integration ■ Niedergang und Ende von Chaco ■ Was wir von Chaco lernen können
    Unter den Schauplätzen von Gesellschaftszusammenbrüchen, die in diesem Buch betrachtet werden, wurden die beiden abgelegensten - die Inseln Pitcairn und Henderson - im letzten Kapitel beschrieben. Das andere Extrem sind jene, die einem Amerikaner geographisch am nächsten liegen: die Gebiete der Anasazi in New Mexico im Südwesten der USA, der Chaco Culture National Historical Park am Highway 57 und der Mesa Verde National Park am US-Highway 666. Beide sind noch nicht einmal 1000 Kilometer von meiner Heimatstadt Los Angeles entfernt. Wie die Mayastädte, die den Gegenstand des nächsten Kapitels bilden, sind auch diese und andere altamerikanische Ruinen beliebte Touristenattraktionen, die jedes Jahr von vielen tausend Bewohnern der modernen Industriestaaten besucht werden. Eine dieser früheren Kulturen im Südwesten, die Mimbreskultur, ist wegen ihrer schönen Keramik mit geometrischen Mustern und realistischen Darstellungen auch bei Kunstsammlern beliebt: Eine Gesellschaft von nur knapp 4000 Menschen begründete eine einzigartige Tradition und erlebte nur wenige Generationen lang eine Blütezeit, bevor sie ganz plötzlich verschwand.
    Ich gebe zu, dass die Gesellschaften im Südwesten der USA in einem viel kleineren Ausmaß tätig waren als die Städte der Maya, denn ihre Bevölkerung war wesentlich kleiner. Deshalb haben die Mayastädte eine weitaus größere Fläche sowie üppigere Denkmäler und Kunstgegenstände. Sie waren das Produkt einer Gesellschaft mit viel stärker ausgeprägter Schichtstruktur, die von Königen geleitet wurde und bereits eine Schrift besaß. Aber den Anasazi gelang es, die größten und höchsten Bauwerke Nordamerikas zu errichten, die erst in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts von den Wolkenkratzern Chicagos mit ihren Stahlskeletten übertroffen wurden. Obwohl die Anasazi keine Schrift besaßen, sodass wir Inschriften nicht wie bei den Maya bis auf den Tag genau datieren können, lässt sich das Alter vieler Bauwerke im Südwesten der USA, wie wir noch genauer erfahren werden, bis auf ein Jahr genau feststellen, und deshalb können die Archäologen die Vergangenheit der Anasazi-Gesellschaft mit einer viel feineren zeitlichen Auflösung nachzeichnen als auf der Osterinsel, Pitcairn und Henderson.
    Im Südwesten der USA haben wir es nicht nur mit einer einzigen Kultur und ihrem Zusammenbruch zu tun. Regionale Zusammenbrüche, tief greifende Umstrukturierungen und die völlige Vernichtung machten die Kulturen im Südwesten an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten durch: Die Mimbres erlebten es um 1130 n. Chr.; die Anasazi von Chaco Canyon, North Black Mesa und Virgin Mitte oder Ende des 12. Jahrhunderts; die Anasazi von Mesa Verde und Kayenta um 1300; die Mogollon um 1400; und noch im 15. Jahrhundert traf es vermutlich die Hohokam, die durch ihre raffinierten landwirtschaftlichen Bewässerungssysteme bekannt wurden. Zwar ereigneten sich alle diese

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