Kollaps
= Zeit), funktioniert folgendermaßen. Wenn man heute einen Baum fällt, kann man ganz einfach von außen nach innen die Ringe zählen: Man beginnt an der Oberfläche des Baumes (die dem Wachstumsring des laufenden Jahres entspricht) und kann auf diese Weise feststellen, dass der 177. Ring auf dem Weg von außen zur Mitte im Jahr 2005 minus 177 entstanden ist, das heißt 1828. Weniger einfach ist es, einem bestimmten Ring in einem alten Holzbalken der Anasazi ein Datum zuzuordnen, denn zunächst weiß man ja nicht, in welchem Jahr der Baum gefällt wurde. Aber die Wachstumsringe sind von Jahr zu Jahr unterschiedlich breit, je nachdem, welche Niederschlags- oder Dürreverhältnisse in dem fraglichen Jahr herrschten. Die Reihenfolge der Ringe im Querschnitt durch einen Baum ähnelt also einer Nachricht im Morsecode, der früher für die Übermittlung von Telegrammen verwendet wurde: Punkt-Punkt-Strich-Punkt-Strich im Morsealphabet oder breitbreitschmalbreitschmal in der Abfolge von Baumringen.
Die Spezialisten für Baumringe, auch Dendrochronologen genannt, gehen folgendermaßen vor: Sie registrieren zunächst die Abfolge breiterer und schmalerer Ringe in einem Baum, der vor kurzer Zeit in einem bekannten Jahr gefällt worden ist. Ebenso halten sie die Abfolge in den Balken aus Bäumen fest, die zu unbekannten Zeitpunkten in der Vergangenheit abgeholzt wurden. Dann vergleichen sie die Abfolge breiter und schmaler Streifen in unterschiedlichen Balken. Nehmen wir beispielsweise an, wir hätten dieses Jahr (2005) einen Baum gefällt und ein Alter von 400 Jahren (400 Ringen) ermittelt; für die Zeit von 1643 bis zurück ins Jahr 1631 fällt uns eine besonders charakteristische Reihe von fünf breiten, zwei schmalen und wiederum sechs breiten Ringen auf. Findet man die gleiche Sequenz sieben Jahre vom äußersten Ring eines alten Balkens entfernt, der 332 Ringe besitzt und zu einem unbekannten Zeitpunkt gefällt wurde, dann kann man daraus schließen, dass der Baum, zu dem der alte Balken gehörte, im Jahr 1650 (sieben Jahre nach 1643) gefällt wurde und dass sein Wachstum im Jahr 1318 (332 Jahre vor 1650) begann. Dann sucht man nach Übereinstimmungen zwischen diesem Baum, der zwischen 1318 und 1650 gelebt hat, und noch älteren Balken; wieder bringt man das Muster der Jahresringe nach dem gleichen Prinzip zur Übereinstimmung, und nun findet man vielleicht einen Balken, dessen Baum dem Muster zufolge nach 1318 gefällt wurde, aber vor 1318 zu wachsen begann; auf diese Weise verschiebt man die zeitliche Abfolge der Baumringe immer weiter in die Vergangenheit. In manchen Teilen der Welt konnte man mit Hilfe der Jahresringe eine Zeittafel erstellen, die mehrere tausend Jahre zurückreicht. Ein solches Schema gilt jeweils nur für eine bestimmte geographische Region, und wie groß diese Region ist, hängt von den örtlichen Wetterverhältnissen ab - das Wetter und damit das Wachstum der Bäume ist von Ort zu Ort unterschiedlich. Das Grundmuster der Jahresringe im Südwesten Nordamerikas gilt beispielsweise (mit gewissen Abweichungen) für das Gebiet vom Norden Mexikos bis nach Wyoming.
Die Dendrochronologie hat den Vorteil, dass sich in der Breite und Feinstruktur der einzelnen Jahresringe nicht nur die Niederschlagsmenge widerspiegelt, sondern auch die Jahreszeit, in welcher der Regen in dem jeweiligen Jahr gefallen ist. Anhand der Jahresringe kann man also die Klimaverhältnisse früherer Zeiten rekonstruieren: Eine Reihe breiter Ringe spiegelt eine feuchte Periode wider, schmalere Ringe weisen auf eine Dürre hin. Mit Hilfe der Baumringe können die Archäologen im Südwesten der Vereinigten Staaten einzigartig genaue Rückschlüsse auf Zeitpunkt und jährliche Schwankungen der Umweltverhältnisse ziehen.
Die ersten Menschen kamen als Jäger und Sammler nach Amerika; den Südwesten der heutigen USA hatten sie spätestens 11 000 v. Chr. erreicht, möglicherweise aber auch schon früher. Es war die Zeit, als die Neue Welt von Asien aus durch die Vorfahren der amerikanischen Ureinwohner besiedelt wurde. Eine eigenständige Landwirtschaft entwickelte sich im Südwesten Nordamerikas nicht, denn es gab zu wenig wilde Pflanzen- und Tierarten, die man hätte domestizieren können. Stattdessen wurde die Landwirtschaft aus Mexiko übernommen, wo man Mais, Kürbisse, Bohnen und viele andere Arten domestiziert hatte - der Mais wurde um 2000 v. Chr. eingeführt, der Kürbis ungefähr 800 v. Chr. die Bohnen noch ein wenig später und
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