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Kolonien der Liebe

Kolonien der Liebe

Titel: Kolonien der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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Wolldecke.»
    «Ich sag ja, ich brauch nichts.»
    Jetzt wurde der Alte listiger. Er war doch nicht so dämlich, wie ich gedacht hatte: «Elli, wenn dich die Kinder also fragen, was du dir wünschst - und ich weiß, daß sie dich fragen werden, Renate hat mich neulich in Gütersloh schon gefragt, was wünscht sich Mutter eigentlich zum Siebzigsten...»
    «Und was hast du gesagt?»
    «Ich hab gesagt, Mutter wünscht sich ja immer nichts.»
    «So ist es auch.»
    «Wenn sie dich jetzt fragen, dann sagst du einfach: Ich wünsch mir nichts, aber Papa will nach Spanien.»
    «Du willst nach Spanien?»
    «Du willst ja nicht mit.»
    «Das ist viel zu heiß für dich. Das macht dein Herz nicht mit.»
    Wie rührend, sie dachte an sein Herz. Aber er ließ nicht locker.
    Er war im Bürgerkrieg gegen Franco, und jetzt war Ehemaligen-treffen. Die paar Kumpel von damals, die noch leben, die will er in diesem Herbst wiedersehen.
    Ich öffnete die Augen und sah mir den Alten an. Ein gutes Gesicht, ich dachte: Bürgerkrieg, Donnerwetter, endlich mal ein alter Vater, der eine Lebensgeschichte hat und seine Kinder jetzt ausbeuten will, anstatt vor ihnen auf den Knien zu rutschen.
    «Sollen sie das doch bezahlen, Elli. Sie haben genug Geld, und ich will nach Spanien. Das kannst du ihnen doch sagen.»
    «Aber es ist doch mein Geburtstag», knurrte die alte Hexe, doch er ließ nicht locker, und ich wurde ganz vergnügt bei dem Gedanken, wie die Kinder ihm die Reise zahlen würden, und er würde in Granada sitzen mit den alten Frontkämpfern, Karten spielen bei untergehender Sonne, er würde von damals erzählen und Postkartengrüße ohne Absender schicken an Elli, die in Gütersloh bei Renate hocken würde und sich irgendwie verarscht vorkäme.
    In Karlsruhe mußten wir alle raus, Elli und der Alte wurden von einem zu kurz geratenen Sohn abgeholt, der Kindesliebe vortäuschte und sich nicht zu fragen traute, wie lange sie wohl diesmal bleiben wollten.
    Ich mußte in einen Bummelzug umsteigen und saß mit einer jungen Mutter im Abteil, die Kopfhörer trug und laut aufdrehte, damit sie ihre beiden quasselnden Kinder nicht hören mußte.
    «Mama guck mal der Mann mit der roten Mütze jetzt pfeift er jetzt fahren wir ab wenn ich nach Hause komme mache ich sofort Fernsehen an ich will eine Apfelsine Mama ich muß mal Mammammamamma.» Mama scherte sich einen Teufel um die Gören mit ihren Rotznasen. Sie sah müde aus, hatte gebleichtes Haar, Tigerfellhosen und ein Lou-Reed-T-Shirt. Der billige Walkman quäkte laut, und sie sackte weg zu Annie Lennox, talk to me like lovers da, und die Kinder zerrten an ihr herum und kommentierten die Gegend und redeten und waren so gräßlich, wie Kinder eben sind, und sie saß da mit geschlossenen Augen, auf der Suche nach einer besseren Welt. Talk to me like lovers do.
    Mein Daumen war heiß, pochte, tat weh, würde sich entzünden.
    In Rastatt stiegen Mutter und Kinder aus, und zum erstenmal an diesem Tag war ich allein. Es war totenstill. Der Zug stand noch eine Weile, als hätte ihn jemand hier auf diesem gottverlassenen Provinzgleis vergessen. Ich hörte mein Blut klopfen, und endlich liefen mir die Tränen übers Gesicht.

Apocalypse Now
    Es regnete seit dem frühen Morgen aus einem schwefelgelben Himmel, als wollte die Welt untergehen. Wir warteten auf Agnes.
    Der Regisseur, der auch zugleich Autor und Produzent des Films war und dem das Geld im wochenlangen Regen buchstäblich wegschwamm, saß mit der brettförmigen Regieassistentin, die auch genausogut ein Mann hätte sein können mit ihrem ausrasierten Nacken und ihrer tiefen Stimme, vor Pfefferminztee und sprach noch einmal die Szene durch, die man mit Agnes an diesem Abend drehen wollte. Ich lungerte am Tischende herum und aß das dritte Stück Apfelkuchen. Ich war Scriptgirl bei diesem Film, bei dem von allem Anfang an alles schiefging, und ich überlegte jeden Morgen beim Aufwachen in meinem klammen Bett in diesem billigen Provinzhotel, ob ich verzweifeln oder mich amüsieren sollte. Vier Wochen Dreharbeiten in Italien, und drei davon in strömendem Regen - wir hatten Außenszenen nach innen verlegen oder ganz streichen müssen, das halbe Team war erkältet, die Wege versanken im Matsch, und unsere Schuhe und Kleider wurden gar nicht mehr trocken. Seit dem dritten Drehtag sprachen Regisseur und Kameramann nur noch das Allernötigste miteinander, und ich hatte das Gefühl, daß der Kameramann - er hieß Torsten - verbissen versuchte, den Film zu

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