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Kolonien der Liebe

Kolonien der Liebe

Titel: Kolonien der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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ruinieren. Alle im Team duzten sich, wie das bei einer so zusammengewürfelten Schicksalsgemeinschaft für ein paar Wochen an irgendeinem Ort üblich ist, nur Torsten wollte gesiezt werden. Damit hatte es überhaupt angefangen, daß er der Regieassistentin, die Gisela hieß - wir nannten sie heimlich Krisela -, das Du verbot, nur ihr, weil er sie von einer anderen Produktion schon kannte und sie nicht mochte wegen ihres harschen Tons. Daraufhin hatte der Regisseur gesagt: Wenn sie dich siezen muß, dann siezen wir dich alle, und um ihn zusätzlich zu ärgern, nannten wir ihn Herr Torsten. Herr Torsten saß in einer Ecke des Restaurants und schrieb in ein kleines Buch. Wir alle glaubten, daß er Beschwerden und Klagen aufschrieb, um sie für die Ewigkeit festzuhalten oder bei späteren Produktionen gegen jeden von uns etwas in der Hand zu haben. Unsere italienischen Darsteller spielten lustlos Karten und tranken Rotwein, das heißt, die Männer. Die Frauen zeigten sich gegenseitig Photos, blätterten in Modeheften oder strickten.
    Die Beleuchter und die Tontechniker waren in die nahegelegene Stadt gefahren, der Szenenbildner fuhr mit zweien seiner Helfer ins Nachbardorf, wo sie schöne Schreinerstöchter kennengelernt hatten, und der Aufnahmeleiter war nach Mailand gefahren, um Agnes abzuholen. Agnes, die außer dem Regisseur niemand von uns kannte, der aber der Ruf vorauseilte, heikel, schwierig, launisch, kurzum, eine Ziege zu sein. Aber, sagte der Regisseur, für die Rolle genau richtig, und es ist ja nur die eine Woche, da müssen wir durch, Kinder. Wir hatten alle keine Lust mehr, da durchzumüssen - wir mußten schon durch genug durch in diesen Wochen. Die Kostümbildnerin, Marja, setzte sich seufzend zu mir an den Tisch mit einem Korb voller Klamotten.
    Was der immer hat, flüsterte sie, ich wasch und bügel alles, weil sich sonst die Schauspieler weigern, das dreckige Zeug anzuziehen, und er will - sie zeigte mit dem Kinn in Richtung Regisseur -, daß alles schmuddelig und schmierig aussieht. Was soll ich denn jetzt machen?
    Laß es Salvatore anziehen, sagte ich, nur zehn Minuten, dann sieht es schmuddelig und schmierig aus.
    Salvatore war der Wirt in dem Film, und der sollte nun gerade nicht schmutzig sein, sondern nur die Landarbeiter, die ihren Grappa bei ihm trinken kamen. Aber Salvatore konnte anziehen was er wollte und nur ganz still herumstehen - peng, hatte er schon irgendwo Rotweinflecken oder eine fettige Hose, und die Landarbeiter kamen nach zehn Stunden Feldarbeit in gebügelten Hemden und Hosen in die Kneipe. Der Regisseur und Marja lagen sich deswegen seit Tagen in den Haaren, und ich wußte nie, zu wem ich halten sollte, denn ich mochte Marja gern, aber in den Regisseur war ich heimlich ein bißchen verliebt.
    Es war schon mein zweiter Film mit ihm, beim ersten war es noch chaotischer zugegangen. Das war ein Looser, dem ging alles schief - er hatte gute Ideen und eine nette Art, aber er war nicht energisch genug mit diesem Sauhaufen von einem Filmteam. Er brüllte sie nicht an, und solche Leute müssen angebrüllt werden, ob es einem nun paßt oder nicht - anders geht das nicht. Wenn du an den Drehort kommst und bist nett, hast du schon verloren.
    Einem Team erklären, was man mit dem Film ausdrücken will?
    Ach du lieber Gott. Das interessiert die doch gar nicht. Jeder macht seinen Job, und keiner hat einen Blick über seinen kleinen Kasten hinaus für das Ganze, im Gegenteil, wenn eine Szene versiebt wird, weil der Ton nicht stimmt, feixen die Beleuchter und sagen: an UNS liegt es nicht, und wenn der Regisseur dann bittet, alles noch mal zu drehen, ziehen sie die Kabel raus und sagen: Feierabend! oder: Das erlaubt die Gewerkschaft nicht, und du stehst mit deiner Nettigkeit im Regen. Dieser Regisseur war freundlich, liebenswürdig und hörte sich den ganzen persönlichen Kram an, mit dem sie ihn alle belästigten - Carla kam nicht vom Saufen weg, weil ihr Mann sie verlassen hatte, Irmin mußte alle drei Tage nach Hause fahren und in der Nacht zurück, er war ständig übermüdet und paßte nicht auf, aber seine Frau hatte Zwillinge bekommen und eines davon kränkelte, brüllt man da einen schläfrigen Aufnahmeleiter an? Krisela zog jede Menge Koks in ihre große Nase, und nächtelang versuchte der Regisseur, ihr das auszureden, und der Szenenbildner beschlief die Mädchen der Gegend und handelte sich Ärger mit deren Eltern ein, die zum Regisseur kamen, um sich über das Künstlerpack zu

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