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Kolonien der Liebe

Kolonien der Liebe

Titel: Kolonien der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich
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Hotel ankommen und von den Thaimädchen mit einem Cocktail begrüßt werden. Sie konnten sich nicht genug wundern, warum über Stunden und Stunden immer wieder angekommen wurde, immer wieder Koffer rein, Koffer raus, bis dann endlich die Szene doch im Kasten war und der Aufnahmeleiter nach einem erleichterten Kopfnicken des Regisseurs gerufen hatte: Gestorben! Da hatten sie erschrocken die Köpfe zusammengesteckt und gefragt: Gestorben? Wer ist gestorben?
    Ich mußte eine stumme Touristin spielen, die in einem dünnen Kleidchen vor einem Tee saß und die Neuankommenden musterte. Der schwule Maskenbildner fummelte mir mit seinen feuchten Händen jeden Morgen eine Spießerfrisur auf den Kopf und malte mir Urlaubsbräune in mein erkältetes, blasses Gesicht, und dann fror ich mich in meinem Fähnchen halb zu Tode und durfte zusehen, wie der Produktionsleiter in einer Art Cape durch den Raum schwirrte und rief: Schneller, Kinder, schneller, das wird ja alles viel zu teuer, und ich hoffte immer, daß der Regisseur einmal aus der Haut fahren und schreien würde, aber er blieb nett, und so wurde der Film eben schlecht. Einmal war für den Nachmittag - wohl schon Monate vorher - eine Hausmusik für das Altenstift angesetzt worden, und als wir gerade Rückkehr vom Elefantenkraal drehten, begann ein quarkgesichtiger Pianist im kleinen Lesesalon Beethovensonaten zu spielen. Nicht mal da drehte der Regisseur durch und auch dann nicht, als der General absichtlich über ein Kabel stolperte, um sich anschließend lautstark zu beschweren. Ich hatte genau beobachtet, wie er mit seinem Stock in den am Boden liegenden Kabeln herumstocherte, dann aufblickte, ob ihn jemand sah - der Regisseur trug immer eine dunkle Brille, aber ich wußte, daß er in diesem Augenblick den General anschaute. Der ging zielstrebig los, mimte ein Stolpern, rief laut um Hilfe und ließ sich vom Aufnahmeleiter auffangen. So geht es nicht, schrie er, man bricht sich Hals und Bein, das muß alles hier weg! Nicht mal da war der Regisseur ausgerastet und hatte gerufen: Sie müssen hier weg! Er war freundlich geblieben und hatte dem Alten zum hundertstenmal erklärt, was ein Film ist.
    Und jetzt sollte Agnes kommen, der dramatische frustrierte Schrecken aller Provinztheater, Agnes mit dem hennaroten Haar, den zahllosen Affären und den legendären Launen. Ich fror kroch noch tiefer in meinen Apfelkuchen und schmierte Flecken auf Marjas frischgewaschene Arbeiterklamotten. Draußen wurde es immer dunkler, und Robert, der Requisiteur, sagte: Ich möchte mal wissen, wann wir die Szene mit den Fliegen denn nun endlich drehen können, der Marinelli macht das nicht mehr lange mit.
    Wir brauchten für eine Szene im gleißenden Sonnenlicht Fliegen, die vor ein Fenster brummen sollten, aber es regnete und war viel zu kalt für die Jahreszeit, und nie waren Fliegen da. Der Requisiteur hatte in einer Nacht- und Nebelaktion eines Tages aus Leverkusen von der Firma Bayer drei Kartons Fliegenlarven geholt, die wurden im Keller des Dorfinstallateurs Alessandro Marinelli gelagert und durch kleine Löcher mit Zuckerlösung und Polentakrümeln gefüttert. Inzwischen waren die Fliegen ausgeschlüpft und donnerten gegen die Kartonwände. Frau Marinelli bekam bereits Angstzustände, wenn sie in den Keller hinunter mußte, um Wein vom Faß zu holen. Aber es gab keinen Sonnentag, an dem wir unsere gemästeten Brummer gegen ein lichtdurchflutetes Fenster hätten loslassen können...
    Überhaupt spielten Tiere eine seltsame Rolle in diesem Film. Da mußte zum Beispiel eine Giftschlange für eine Einstellung durch die Wiese huschen. Aus Como kam ein Spezialist mit einer Flasche, in der die Schlange war, und natürlich wurde in einem Kühlschrank auch das nötige Serum deponiert, falls jemand gebissen werden sollte. In dem engen Raum, in dem wir eine turbulente Szene drehen mußten, standen viele leere Weinflaschen auf dem Fußboden, und irgendwie war die Flasche mit der Giftschlange darunter geraten. Beim Rückwärtsgehen hatte der Kameraassistent von Herrn Torsten die Flasche umgestoßen, die Schlange war herausgekrochen und auf Nimmerwiedersehn verschwunden.
    Tagelang gingen wir alle nur mit gesenkten Blicken und in ganz stabilen Schuhen herum, der Experte schimpfte und verlangte Schadensersatz, aber die Schlange blieb verschwunden, und schließlich reiste er wütend mitsamt seinem Serum wieder ab. Wir machten Witze darüber, was wohl giftiger sei: der Schlangenbiß oder der italienische

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