Kolumbus kam als Letzter
sondern als Lehen
des englischen Königs – eine formale Enteignung der freien Kelten.
Nach dem Scheitern des Aufstandes von Ulster (1593-1603) und
der Flucht des gälischen Adels (1607) wurden ab 1609 etwa 100 000
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presbyterianische Schotten in Ulster angesiedelt. Die in der Folge
gegen die Religion der irischen Bevölkerung erlassenen Strafgesetze
hatten zur Folge, dass die keltische Sprache in den herrschenden
Schichten mehr und mehr an Boden verlor. Der Grundstein zur
Bildung der zwei Staaten in Irland, aber auch für den bis heute an-
dauernden Glaubenskrieg wurde gelegt, als der abgesetzte katholi-
sche König Jakob II. 1690 in der Schlacht am Boyne vom neuen
protestantischen König William III. besiegt wurde.
Bei dem heute noch schwelenden Konflikt in Nordirland geht es
denn auch weniger um Religion, sondern im Kern um Politik,
Land, Macht und früher um den Wettstreit der Systeme. Der von
Cromwell 1649-1652 niedergeschlagene Aufstand der enteigneten
keltischen Landbesitzer in Ulster gegen die englische Siedlungspo-
litik führte zur völligen Umstrukturierung der Besitz- und Herr-
schaftsverhältnisse in Irland: Den irischen Bauern wurde ihr Land
weggenommen und den neuen protestantischen Siedlern übereig-
net. Die Ausdehnung der englischen Strafgesetze auf die katholi-
schen Iren (Kelten) bedeutete auch die politische Entrechtung.
Der uns heute irrational erscheinende Religionskrieg in Nordirland
liegt darin begründet, dass es sich hier um einen Krieg der Gesell-
schaftssysteme und der Fortsetzung des damit verbundenen Exis-
tenzkampfes des keltischen Christentums in Irland handelt. Dieser
begann, als Heinrich II. im Jahre 1171 mit seiner Armee nach Ir-
land übersetzte. Deshalb streiten die Nordiren immer noch, ob die
protestantischen Engländer über die katholischen Iren bestimmen
dürfen.
Die geistige Führungsmacht bei den Kelten übte die Priesterkaste
der Druiden aus. Die chieftains überließen ihnen ihre Söhne zu einer Erziehung, die etliche Jahre dauerte. Es wurde ein umfangreiches Wissen vermittelt, u.a. sehr genaue astronomische Kenntnisse.
Die Grundlage der druidischen Gelehrsamkeit war die Einweisung
in eine Religion, die angeblich in einer mündlich überlieferten Ge-
heimlehre verschlüsselt war. Man hat angenommen, dass hier eine
vorkeltische Eingottreligion Eingang gefunden hat.
Allerdings besteht ein gravierender Unterschied zwischen dem
Glauben der erst im Mittelalter räumlich wuchernden Papstkirche
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und dem christlichen Glauben der in Europa im ersten Jahrtausend
vorherrschenden keltisch-germanischen, altnordischen, gotischen
und skythischen Völker.
In fast allen bekannten Eingottreligionen (Monotheismus) ist nicht ein personifizierter Gott Gegenstand der Verehrung, sondern ein
göttliches Prinzip, das Gott quasi als ein Neutrum ohne Körper oder
Körperlichkeit, also nicht als Person ansieht. In China baut schon der uralte Taoismus (Daoismus) seine Metaphysik und Ethik auf
den Begriffen Tao (Weg) und Te (Tugend) auf. Tao, das Absolute, bringt das Universum und die Dinge der Welt hervor – das höchste
göttliche Prinzip. Te ist das Wirken des Tao in der Welt. Für den Menschen bedeutet deshalb das Te die Norm für sein ethisches und politisches Verhalten. In diesem Sinne ist Gott als Begriffshülse zu verstehen, die mit unterschiedlichen Vorstellungen gefüllt werden
kann.
Der Mensch der Vorzeit – auch in der Neuen Welt – lebte förmlich
eine Wechselwirkung zwischen Kosmos, Natur und Mensch als gött-
liches Prinzip. Die Quelle des Lebens ist sozusagen Gott. Diese Ein-stellung war nicht nur geistig-philosophischer Natur, sondern wurde
körperlich in Form von Bauwerken harmonisch in der Natur nach-
gestellt (beispielsweise Jahreslauf der Sonne und des Mondes).
Man erkennt jetzt, dass beispielsweise die heidnischen Kelten kein außerordentliches Problem mit dem neu aufkommenden Christentum hatten, falls Gott definitiv keine Person, sondern nur eine Begriffshülse für ein göttliches Prinzip war. Die alte Religion der Druiden wurde eigentlich auch nicht grundsätzlich geändert, denn
aus dieser Sichtweise glaubte man ja schon immer an Gott.
Hinzu kommt der Aspekt des alteuropäischen Mütterglaubens, die
Urreligion von der Ur- oder Allmutter. Entsprechend war das vor-
geschichtliche Zeitalter der abendländischen Urgemeinschaft das
Zeitalter der Mütter (Wirth, 1980, S. 229). Die Gesittung der
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