Kolumbus kam als Letzter
Die Pergamentrolle verschwand angeblich
1460 spurlos, die Abschrift danach auch. Von dieser Abschrift, die
1470 gedruckt erschien, stammen die jetzt noch erhaltenen Hand-
schriften-Abkömmlinge – 1370 Jahre nach dem Erscheinen der an-
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geblich lange vorher verschollenen »Ur-Germama«. Diesen Sach-
verhalt legte bereits vor 100 Jahren Robert Baldauf von der Universität Basel offen zutage (Baldauf, 1902).
Nach Dr. Heribert Illig (1996, 1998) sind 297 Jahre frühmittelalter-
licher Geschichte als dunkle Jahrhunderte mit nominell relativer
Geschichtslosigkeit eine rein kirchliche Erfindung. Nach seiner
Meinung schließt sich das 10. Jh. unmittelbar an das 7. Jh. an. Die
von Illig beeindruckend dargelegte Argumentation belegt zumin-
dest, dass viele schon mit der Muttermilch aufgesogene geschichtli-
che Wahrheiten ganz neu überdacht oder als erfundene Märchen aus der Geschichte getilgt werden müssen: Karl der Große hat nicht
oder meiner Meinung nach in einer schlichteren Form vielleicht zu
einer späteren Zeit existiert. Vielleicht handelt es sich auch um eine künstliche Mischung aus mehreren anderen Karlen.
Die unglaublich verdichtete Beweisfülle gegen die Existenz von
Karl aus architektonischer, verwaltungstechnischer, kriegstechni-
scher und organisatorischer Sichtweise ist erdrückend.
Illigs Argumentation, insbesondere soweit sie sich auf eine Kalen-derform und damit astronomische Gegebenheiten begründet, soll
ausdrücklich nicht zur Begründung der in diesem Buch vorgestell-
ten Betrachtungsweise herangezogen werden.
Dieser Hinweis ist wichtig, da Heribert Illig exakt 297 Jahre mittelalterliche Phantomzeit kürzte, unter Hinweis auf die Umstellung
des julianischen auf den gregorianischen Kalender im Jahre 1582
und hierauf basierenden Überlegungen. Denn da der alte Kalender
zu langsam war, wurde u.a. durch Gregors Bulle festgelegt, dass
dem 4. Oktober 1582 gleich der 15. Oktober folgte, um angeblich
den Zustand zur Zeit des Konzils von Nicaea im Jahre 325 wieder-
herzustellen.
Orthodox-wissenschaftliche Kreise atmeten auf, als Franz Krojer
(2001) aufgrund alter Beschreibungen astronomischer Ereignisse
(Sonnen- und Mondfinsternisse) nachzuweisen versuchte, dass es
keine mittelalterlichen Phantomzeiten gibt. Er schreibt aber selbst
im Internet:
»Würden 300 Jahre mittelalterlicher Phantomzeit gestrichen, dann
rückten zwar die Ereignisse der klassischen Antike uns um 300
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Jahre näher, was in den Finsternis-Rückrechnungen zu berücksich-
tigen wäre, wir könnten aber in vielen Fällen dennoch wieder eine
Übereinstimmung von Berechnung und Überlieferung feststellen,
wenn über mehrere Jahre und Jahrzehnte und über den gesamten
Mittelmeerraum nach Treffern gesucht werden darf … Entgegen der weit verbreiteten und häufig spontan geäußerten Ansicht, dass
mittels Finsternissen die mittelalterliche Phantomzeit Illigs per se zu widerlegen sei, zeigt sich also stattdessen, dass in vielen Fällen die überlieferten Finsternisse mit den modernen Rückrechnungen
beliebig zur Deckung gebracht werden können und sie sich deshalb
überhaupt nicht zur Überprüfung der angeblich fiktiven 300 Jahre
eignen. Jedoch nicht in allen Fällen.«
Aber hat Krojer mit diesen wenigen von ihm verlesenen und für
authentisch angesehenen Fällen Recht? Stimmen überhaupt die
Voraussetzungen für seine Betrachtungen? Allein ob die Erdachse
immer gleichförmig ungleichmäßig umherwackelt (Präzession und
Nutation) muss nicht immer so gewesen sein. Bekanntermaßen ist
die Polachse genau genommen auch heutzutage weder räum- noch
richtungsfest und die Ekliptik ist nicht raumfest (Nutation).
Begründen sich Kalenderrevisionen vielleicht auch auf außergewöhn-
liche Schwankungen der Erdachse in der Vergangenheit? Schwer-
wiegender wäre, falls die Jahreszählung, so wie wir sie in den Ge-
schichtsbüchern lesen können, für das erste Jahrtausend und auch
alle Zeiten davor in Wirklichkeit auf literarischen Schöpfungen
oder märchenhaft ausgeschmückten Ereignissen beruht, also wis-
senschaftlich eine Fiktion darstellt.
Denn niemand hat irgendwann irgendwo vor dem 9. Jh. nach der
christlichen Zeitrechnung datiert und behauptet, er lebe zum Bei-
spiel im Jahre 325 n. Chr., schon gar nicht (selbstredend), wenn es
um Zeiten vor Christi Geburt geht oder wenn es sich um arabische
oder asiatische Geschichtszahlen handelt. Krojer selbst zitiert eine Sonnenfinsternis,
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