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Koma

Koma

Titel: Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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überhaupt nicht erzürnt. Seine Miene drückte nur Besorgnis aus. Der kleine Mann mit dem dunklen, kurzgeschnittenen Haar bot, wie Susan auch heute auffiel, immer das gleiche Bild, in Anzug und Weste, komplett mit goldener Schlüsselkette. Dr. Chapman hatte die Angewohnheit, zwischen den Sätzen eine Pause einzulegen und zu lächeln. Das entsprang weniger seiner Gemütsbewegung als einer speziell entwickelten Therapie für ängstliche oder gehemmte Studenten.
    Sein Büro wirkte viel anheimelnder als die Räume der Ärzte im Memorial. Den Schreibtisch schmückte eine antike Messinglampe. Die Stühle waren aus schwarzpoliertem Holz und trugen an den Rückenlehnen das Emblem der Fakultät. Ein Orientteppich bedeckte den Fußboden, und an den Wänden hingen gerahmte Fotos früherer Studienjahrgänge.
    Nach der freundlichen Begrüßung durfte Susan ihrem Dekan gegenüber Platz nehmen. Dr. Chapman nahm die Lesebrille ab und deponierte sie sorgfältig auf der Schreibunterlage.
    »Hören Sie, Susan, warum sind Sie nicht hergekommen und haben die Angelegenheit mit mir erörtert, bevor sie außer Kontrolle geriet? Dafür sitze ich schließlich hier. Sie hätten uns alle eine Menge Ärger erspart, sich selbst ebenso wie der Fakultät. Ich versuche ja, so gut es geht, die Fäden in der Hand zu behalten, aber wenn sich ein besonderes Problem auftut, brauche ich einfach eine Vorwarnung. Ich muß auch auf dem laufenden sein, wenn etwas schiefgeht, und nicht nur, solange überall die Sonne scheint.«
    Susan nickte mehrmals zustimmend, während Dr. Chapman sprach. Seit ihrem Mißgeschick im U-Bahn-Tunnel war sie nicht dazu gekommen, sich umzuziehen. Die Abschürfungen an beiden Knien waren unübersehbar. Auf dem Schoß hielt sie das Päckchen mit der Schwesterntracht. Es sah mitgenommener aus als sie selbst.
    »Dr. Chapman«, fing sie an, »die ganze Sache schien zunächst völlig harmlos. Die ersten Tage in der Klinik sind schwierig genug, auch ohne die Serie von eigenartigen Zufällen, in die ich gestolpert bin. Als das passierte, hab’ ich mich in die Bibliothek geflüchtet. Eigentlich mehr, um meine Gedanken zu sammeln, als mit irgendeinem bestimmten Ziel fing ich an, mich mit anästhetischen Komplikationen zu beschäftigen. In einem, allenfalls zwei Tagen wäre alles wieder normal, dachte ich. Aber dann wurde ich immer tiefer und tiefer in die Sache verwickelt. Ich grub unversehens hochinteressantes Material aus, und dann dachte ich … Nun … Sie werden mich bestimmt auslachen, wenn ich’s Ihnen sage …«
    »Riskieren Sie’s doch.«
    »Na ja, also, ich dachte, ich wäre einer bisher unbekannten Erkrankung auf der Spur oder einem neuen Syndrom oder wenigstens einer spezifischen Drogenreaktion.«
    Dr. Chapman mußte in der Tat lächeln. »Eine unbekannte Krankheit, sieh mal einer an! Das wäre wirklich ein Riesenerfolg für jemanden, der die ersten Tage in der Klinik arbeitet. Na, wie auch immer, ich nehme an, Sie denken jetzt anders darüber.«
    »O ja, das können Sie mir glauben. Selbst ich scheine eine Art Selbsterhaltungstrieb zu haben. Außerdem beginne ich schizophren zu reagieren. Heute nachmittag zum Beispiel bildete ich mir ein, daß ein Mann mich verfolgte, und zwar so lange, bis ich wirklich in Panik verfiel. Sie brauchen nur meine Knie und meine Kleider anzusehen. Um es kurz zu machen: In der Kendall Station hab’ ich schließlich versucht, von einem Bahnsteig auf den anderen zu klettern, über die Schienen, versteht sich. Geradezu idiotisch!« Susan tippte sich an die Stirn. »Danach ging mir auf, daß es höchste Zeit war, wieder normal zu werden. Und ich gebe mir wirklich alle Mühe. Trotzdem gehen mir die Koma-Vorfälle im Memorial nicht aus dem Kopf, und ich wünschte, ich hätte die Befugnis, dem allem auf den Grund zu gehen. Offensichtlich gibt es viel mehr Fälle, als ich zunächst vermutete. Vielleicht waren Dr. Harris und Dr. McLeary deshalb so gereizt und ärgerlich über meine naive Einmischung. Wie dem auch sei, mir tut es wirklich leid, Ihnen Unannehmlichkeiten gemacht zu haben. Ich hoffe, Sie glauben mir, daß so etwas ganz und gar nicht in meiner Absicht lag.«
    »Susan, das Memorial ist eine riesige Institution. Da geht soviel durcheinander. Die einzige direkte Auswirkung auf mich ist, daß ich Ihr Chirurgie-Praktikum in die Städtische Klinik umdirigieren mußte. Das ist schon in die Wege geleitet, und Sie sollen sich morgen früh im Büro von Piles melden: Dr. Robert Piles.« Dr. Chapman

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