Komisch - die Liebe
Ich habe einen kleinen Buchladen.«
»Warum hast du mich nie dorthin mitgenommen?«, fragt sie Paolo.
»Weil ich nur solchen Kram für Anwälte, Steuerberater und Richter verkaufe. Das ist keine Buchhandlung für Wissenschaftler
wie euch.«
»Nino ist zu bescheiden. Er hat mir im Laufe der Jahre schon einige Bücher besorgt, von denen andere sagten, sie seien nicht
mehr aufzutreiben.«
»Zu freundlich.«
»Nein, das meine ich ernst! Ich weiß nicht, wie er das immer macht, aber wenn es schwierig wird, gehe ich zu ihm und er löst
mir mein Problem.«
»Interessant. Ich werde Sie mal besuchen müssen.«
»Ich bringe dich gern hin, Eugenia. Du wirst bestimmt begeistert sein von …«
Ich falle ihm ins Wort. Dieses Trara hier ist nichts für mich. Mit einem Blick auf die Uhr sage ich: »So spät schon. Entschuldigt,
aber ich muss wirklich los.«
»Dann also bis bald in der Buchhandlung.« Eugenia lächelt mir zu und gibt mir die Hand.
Ich schüttele sie. »Wann immer Sie wollen, aber noch einmal: Sie werden enttäuscht sein …«
»Nino, der Bescheidene«, ergänzt Paolo.
»Ciao, Paolo«, sage ich knapp.
»Ciao, Nino, ich komme demnächst vorbei, dann können wir weiterreden …«
Mit einer vage zustimmenden Handbewegung entferne ich mich.
Ich habe nicht die geringste Lust weiterzureden.
Ich will nur in meinen Sarkophag steigen und in Frieden ruhen.
Für immer.
E s ist Sonntag. Ich wälze mich im Bett. Draußen scheint wahrscheinlich die Sonne. Doch es gibt keinen einzigen Grund auf der
Welt, aufzustehen.
Ich schalte den Fernseher ein. Es lebe die Fernbedienung. Zappen.
Kochrezepte. Gottesdienst. Dokumentarfilm. Basketball. Nachrichten. Quizsendung. Noch eine Messe. Reality-Show. Golf. Nachrichten
für Hörgeschädigte. Fußball. Verkaufsshow. Konzert. Mozart. Das
Andante
der Symphonie Nr. 20 in D-Dur. Was für eine Streichergruppe. So viele Celli. Ich halte mich davon ab, die Fernbedienung gegen
die Mattscheibe zu schmettern, und höre wie versteinert dieses Wunderwerk der Musik an.
Mozart schrieb die Symphonie Nr. 20 mit zwölf Jahren. Ich bin einundvierzig und habe rein gar nichts zustande gebracht. Ich
verkaufe Bücher, die ich weder geschrieben noch gelesen habe und auch nie lesen werde. Traurige Bücher. Heute vermisse ich
Schuh, vielleicht stinkt es nicht mehr ganz so doll nach ihm. Eigentlich ein gutes Zeichen, oder? Tja …
Seit er nicht mehr da ist, brauche ich meine Schuhe nicht mehr zu verstecken und mir ständig neue zu kaufen. Dieser geliebte
Schwachkopf verbrachte den Großteil seiner Zeit damit, Schuhe zu fressen. Am Tag seiner Ankunft stürzte er sich auf das einzige
Paar englischer Schuhe, das ich besaß, so richtig schicke, sauteure Mulberrys. Er war ein mittelgroßer Jagdhund, nicht ganz
reinrassig. Anfangs nannte ich ihn Chewbacca, nach Han-Solos Wookie-Freund aus
Star Wars
.
Ich habe mir immer gerne eingebildet, ein bisschen wie der junge Harrison Ford aus
Blade Runner
auszusehen. Als sich dann mein Hundefreund, der wie Chewbacca aussah, mit der Zeit mehr für meine Schuhe als für mich interessierte,
änderte sich sein Name unausweichlich … Mein kleiner, dummer, geliebter Hund. Er fehlt mir ganz schön.
Es klingelt. Wie nervig. Wer kann das nun wieder sein? Am Sonntag! Geht in die Kirche beten, und lasst mich in Ruhe. Ich rühre
mich nicht, stelle den Fernseher leiser. Es klingelt wieder. Steht vielleicht das Haus in Flammen, und ich habe es nicht mitbekommen?
Nach Rauch riecht es jedenfalls nicht. Es klingelt wieder. Mir platzt der Kragen.
»Wer ist da?«, schreie ich.
»Clelia. Bist du allein?«
Clelia? Ob ich allein bin? Clelia? Celli im Fernsehen und Cellistinnen vor der Wohnung? Was für ein Sonntag ist das denn?
Ostersonntag? Sunday, Bloody Sunday? Seid ihr sicher, dass morgen Montag ist?
»Komme!«
Nackt wie ein Wurm schäle ich mich aus dem Bett. Ich versuche einen klaren Gedanken zu fassen, doch vergeblich. Es ist, als
wäre mir über Nacht ein neues Gehirn transplantiert worden, vielleicht das von Herrn »A. B. Normal« … Ich sehe mich um, finde
aber keine Kleider. Es gibt nichts zum Anziehen in meiner Wohnung. Kein einziges Kleidungsstück. Ich wickele mich in das Laken,
als ginge ich zu einer Toga-Party. Ich bin Peter Sellers in
Lolita
, als er
roman ping, roman pong
spielt. Ich bin Julius Cäsar, nein, eher Lucius Licinius Lucullus, nur ohne Essen … Barfuß wanke ich zur Tür. Ich habe gestern
entschieden zu
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