Komisch - die Liebe
viel Calvados getrunken.
Ich mache auf.
Sie ist wunderschön. So elegant.
In Jeans und einem ärmellosen grauen Ripp-Shirt.
»Bist du allein?«
»Ja.«
»Störe ich?«
»Nein.«
Sie kommt herein.
»Die Haustür war offen.«
Ich betrachte ihre schönen Schultern. Die schlanken und starken Arme. Die verstrubbelten Haare. Den klugen Kopf. Ich atme
ihren unvergesslichen Duft.
»Möchtest du Kaffee?«
Sie sieht mich an. Mich trifft fast der Schlag. Wie sehr sie mir gefällt.
»Gern.«
Ich fühle mich wie ein Bekloppter, in meiner Senatorentoga. Sie muss lachen.
»Was ist?«
»Nichts … Du siehst nur aus wie Peter Sellers in
Lolita
. Du weißt schon, wo er …«
»…
roman ping, roman pong
spielt, ich weiß.« Und ich dachte, ich sähe aus wie Harrison Ford …
Sie lacht. Ohne es zu wollen, muss ich auch lachen.
»Ich mach mal Kaffee.«
Wir gehen in die Küche. Erst jetzt fällt mir auf, was für ein wunderbarer Tag draußen ist. Der Himmel ist azurblau. Die Sonne
strahlt. Die Schwalben fliegen zwitschernd umher. Ein Triumph der Harmonie und Schönheit. Nur ich passe nicht hierher, wegen
Calvados und Bettlaken.
Das Konzert im Fernsehen geht weiter, doch jetzt erklingt Mahler, dritter Satz der Sinfonie Nr. 4 in G-Dur, das berühmte
Ruhevoll
.
»Wie geht es dir?« Wir stellen die Frage unisono.
Keiner antwortet. Wir warten beide, dass der andere antwortet. Alles schweigt. Stille.
Ich mache Kaffee. Sie hinter mir. Ich höre, wie sie nervös auf und ab geht, und meine Küche ist ziemlich klein. Ich zünde
das Gas an.
»Du fehlst mir, Nino. Du fehlst mir ganz schrecklich. Ich habe furchtbare Angst, aber wenn du willst, probieren wir es. Riskieren
wir es. Ich will nicht ohne dich sein.«
Ich stelle die Espressokanne auf die Flamme. Drehe mich nicht um. Will meine ganze Vergangenheit auf die Flamme stellen. Meinen
Groll. Alles Schlechte, was ich über sie gedacht habe. Meinen fiesen Zorn. All mein Geschimpfe.
Ich fühle mich wie Christoph Kolumbus, der »Land!« schreit. Ich bin glücklich und stolz, Italiener zu sein, ausnahmsweise
mal. Ich bin Toscanini, der in New York dirigiert. Meucci, der das Telefon erfindet. Tardelli, der ein Tor schießt. Die Kommunisten
bei 34 Prozent. Fellini bei der Oscar-Verleihung. Ich schwöre, die Mafia existiert nicht. Italien ist ein schönes Land, und
die Italiener sind anständige Leute.
Ich drehe mich um. Sehe sie an. Gehe zu ihr. Schiebe sie gegen die Wand. Nehme ihr Gesicht in meine Hände. Küsse sie. Sie
küsst mich zurück, dann weicht sie aus.
»Außerdem wollte ich dir sagen, dass es mir leidtut, dass ich …«
»Sag es mir später.« Ich küsse sie wieder.
Sie weicht wieder aus, aber dieses Mal lächelt sie.
»Einverstanden.« Jetzt ist sie es, die mich küsst.
Ich bin Rom, offene Stadt.
Um mich herum nur Schönheit.
Danke.
I ch bin glücklich.
Glücklich wie eine Eidechse in der Sonne. Wie eine Maus im Speck. Wie Pinocchio in den Händen seines lieben Geppetto. Wie
ein Bolschewik im Oktober 1917.
Glücklich, wie nur Verliebte es sind.
Wir haben einen wunderschönen Sonntag miteinander verbracht. Den ganzen Tag im Bett. Wir haben uns geliebt wie die Verrückten.
Wir haben geredet, gelacht, gespielt, gegessen und geschlafen.
Leicht wie eine Feder und glücklich wie Candide.
Ein Geschenk ist das, ein Geschenk des Lebens. Ein Wunder.
Left Behind
von Zero 7.
Der nächste Tag ist Montag. Vormittag. Clelia hat bei mir übernachtet. Die Buchhandlung ist geschlossen, und Clelia muss bis
zum Konzert am Abend um neun Uhr nicht zur Arbeit. Sie wird heute Nachmittag ein bisschen üben. Bis vier Uhr gehört der Tag
uns.
Wir haben Zeit für uns.
Es kommt mir vor, als hätte ich nie etwas anderes gesucht im Leben.
Als hätte ich immer jemanden wie sie treffen wollen und sie schließlich auch getroffen. Die echte.
Als hätte ich nichts sehnlicher gewünscht, als bei dieser Frau zu sein. Mein ganzer vergrabener Schmerz, meine latente Melancholie,
meine Unzufriedenheit, meine Unruhe: alles wie weggeblasen.
So wie Tränen im Regen. In dem wunderbaren Regen vor vielen Tagen, als ich sie zum ersten Mal sah. ZwischenKragen und Hut. Süßeste, einladende, liebevolle Clelia. Als hätte sie sich von ihrer schmerzlichen Bürde befreit, die sie
an die Vergangenheit fesselte, an das erlittene Unheil, das sie für unheilbar, für unvergesslich hielt. Fest vernagelt im
Misstrauen.
»Ich bin glücklich …« Sie sieht mich nicht
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