Komm mit mir, liebes Hausgespenst
ich nehme es euch ja gar nicht übel. Bloß dürft ihr mich nicht für dumm verkaufen wollen. Es müßte dies und jenes geschehen, wenn ich an die Existenz von eurem Amadeus glauben sollte!“
In diesem Augenblick geschah es. Die Maschine hatte inzwischen an Höhe gewonnen und die Wolkendecke durchstoßen. Natürlich waren sämtliche Fenster und Türen hermetisch verschlossen, denn der Luftdruck draußen war jetzt sehr viel niedriger als drinnen.
Dennoch wehte ein heftiger Luftzug, ja, tatsächlich ein Wind durch die Kabine. Vom Cockpit her durchfegte er das ganze Flugzeug bis zum hinteren Ausgang. Dabei trieb er die blaue, goldbetreßte Mütze eines Piloten durch den Mittelgang-
Die Passagiere schrien auf und hielten krampfhaft ihre Schals, Mützen, Hüte und Taschen fest.
Eine Frau gellte fassungslos: „Wir stürzen ab!“
Nur Monika, Ingrid und Norbert blieben gefaßt.
„Was sagen Sie jetzt, Herr Stein?“ fragte Monika.
Er umklammerte schreckensbleich die Lehnen seines Sessels. „Es... es muß etwas kaputtgegangen sein!“
Eine Stewardeß kam von hinten durch den Gang gelaufen; sie hielt die Kapitänsmütze in der Hand. „Meine Damen und Herren, bitte, nur keine Panik! Es ist alles in Ordnung!“
„Das ist nicht wahr!“ brüllte ein Mann. „Wie könnte es in einem geschlossenen Raum wehen?“
Aus dem Lautsprecher tönte die tiefe, beruhigende Stimme eines der Piloten. „Immer mit der Ruhe, meine Damen und Herren! Mein Copilot hat versehentlich den Hebel des Frischluftgebläses betätigt. Das hat für Sie eine kleine Unannehmlichkeit bedeutet, aber von Gefahr kann keine Rede sein. Alles an Bord funktioniert tadellos. Wir befinden uns jetzt in achttausend Meter Höhe und werden in etwa vierzig Minuten in Frankfurt landen. Das Wetter in Frankfurt ist diesig, die Temperatur beträgt fünfzehn Grad. Ich wünsche Ihnen weiterhin einen guten Flug.“
„Das Frischluftgebläse!“ sagte Herr Stein. „Da hast du es.“
„Ich habe noch niemals davon gehört, daß es im Cockpit ein so mächtiges Frischluftgebläse gibt!“
„Weißt du denn so genau über Flugzeuge Bescheid?“
„Nein“, mußte Monika zugeben.
„Na also.“
Äußerlich gesehen war Monika geschlagen, denn sie konnte ja nicht beweisen, daß Amadeus diesen Windstoß verursacht hatte. Aber innerlich war sie fest davon überzeugt, daß nur er es gewesen sein konnte. Die schreckverstörten Mienen der Stewardessen, die jetzt mit krampfhaftem Lächeln ein Frühstück servierten, bestätigten sie darin.
Der Servierwagen wurde den Mittelgang entlanggeschoben, von einer Reihe zur nächsten. Jetzt stand er zwischen Monika und dem Korb, beziehungsweise Herrn Stein.
„Sie wünschen, bitte?“ fragte die Stewardeß und beugte sich zu Frau Stein, die am Fenster saß, vor. „Tee oder Kaffe, bitte?“
„Kaffee“, sagte Frau Stein.
Die Kaffeekanne schwebte in die Luft, neben ihr ein leerer Becher. Die Kaffeekanne wurde vorgebeugt, Kaffee floß in den Becher, und der Becher setzte sich auf das beladene Frühstückstablett. Das Tablett flog zu Frau Stein hin und setzte sich artig auf das Tischchen, das sie aufgeklappt hatte.
„Entschuldigen Sie, bitte“, sagte die Stewardeß mit steifen Lippen.
Frau Stein, die auf den Vorgang nicht geachtet hatte, fragte arglos: „Ist etwas nicht in Ordnung?“
„O doch“, behauptete die Stewardeß, „alles okay.“
„Na, da bin ich aber froh. Diese... Manipulation am Frischluftgebläse hat mir einen schönen Schrecken eingejagt, wissen Sie!“ Frau Stein nestelte das Pappdöschen mit der Sahne auf.
Die Stewardeß wandte sich an Herrn Stein. „Und Sie, bitte?“
„Tee!“ sagte Herr Stein.
Monika, Ingrid und Norbert beobachteten ihn und die Stewardeß mit angehaltenem Atem.
„Mit Sahne oder Zitrone?“ fragte die Stewardeß, die ihre Stimme nur noch schlecht in der Gewalt hatte.
„Zitrone!“
Die Teekanne war in die Luft gestiegen, beugte sich vor und goß Tee in den ebenfalls schwebenden Becher. Jetzt stieg eine Zitronenscheibe nach oben und landete mit elegantem Schwung in dem Teebecher.
„Nein!“ schrie die Stewardeß. „Nein! Das halt ich nicht aus!“ Sie hielt sich die Ohren zu — völlig überflüssigerweise, denn Amadeus machte gar keinen Lärm — und stürzte schutzsuchend zum Cockpit.
Die Teetasse setzte sich auf das Tablett, das sich mit ihr auf Herrn Steins Tischchen setzte.
„Jetzt ist’s aber genug“, sagte Monika leise, aber nicht ohne Schärfe, „du hast
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