Komm mit mir, liebes Hausgespenst
viele Menschen wartend saßen — auch Norbert Stein mit seinen Eltern. Herr und Frau Stein hatten ihre Nasen tief in zwei Taschenbücher gesteckt.
Aber Norbert sprang sofort auf und lief zu den Freundinnen hinüber.
„Wie ist es gegangen?“ fragte er aufgeregt.
„Aus dem Bannkreis habe ich ihn herausgekriegt“, berichtete Monika, „aber ein Beamter vom Grenzschutz hat den Korb geöffnet... und ich fürchte, jetzt ist er ausgerissen.“
Sich gegenseitig das Wort aus dem Mund nehmend, beschrieben Monika und Ingrid den letzten Auftritt von Amadeus. Norbert hielt sich den Bauch vor Lachen.
„So komisch ist das gar nicht“, meinte Monika, „was mache ich, wenn er jetzt fort ist?“
„Sei doch froh, daß du ihn los bist“, erwiderte Norbert unüberlegt.
Patsch — schlug ihm eine unsichtbare Hand kräftig ins Gesicht.
„Was war das?“ rief Monika.
„Hast du nicht gesehen?“ antwortete Ingrid. „Norbert hat a Watschen gefangen!“
„Ich habe eine Backpfeife gekriegt, wie man bei uns oben sagen würde!“ gestand Norbert und rieb sich die schmerzende Wange. „Jedenfalls ist das ein Beweis, daß Amadeus noch ganz in der Nähe ist.“
„Du solltest versuchen, ihn wieder in den Korb zu locken, Moni“, meinte Ingrid.
„Ob mir das gelingt? Hier, wo so viele Menschen sind?“
„Versuch es immerhin!“
Monika sah sich um und fand einen Winkel ganz hinten an der Wand, wo keine Flugreisenden waren. Sie setzte sich auf einen der orangefarbenen Plastikstühle und nahm den offenen Korb auf den Schoß.
„Ich finde, du solltest ihm seine Freiheit lassen“, sagte Norbert, „er wird sich wohler fühlen. Außerdem, wenn er vielen Menschen Streiche spielen kann, wirkt sich das nur halb so schlimm aus, als wenn er nur eine Familie ärgert.“
„Halt den Mund“, sagte Ingrid, „du hast ja keine Ahnung.“
„Na, hör mal! Warum soll ich nicht sagen, was ich denke?“
„Bitte, streitet euch nicht“, mischte Monika sich ein, „so kann ich mich nicht konzentrieren. Am besten geht ihr weg, weit weg. Vielleicht kommt Amadeus dann zurück.“
Ingrid und Norbert verzogen sich, beide ein wenig schmollend.
Monika versuchte Amadeus zu beschwören. „Amadeus, bitte, bitte, komm zu mir!“ flüsterte sie. „Ich bin doch deine Freundin! Die anderen Menschen werden dich gar nicht erkennen... und du gehörst doch in das Haus am Seerosenteich. Dahin willst du doch zurück, nicht wahr?“
So sprach sie eindringlich auf das Hausgespenst ein, bis die Maschine nach Frankfurt aufgerufen wurde. Dann mußte sie wohl oder übel den Korb wieder verschließen. Sie hatte keine Ahnung, ob Amadeus wieder hineingeschlüpft war oder nicht.
Ein stürmischer Flug
Erst als sie über das Flugfeld zu der wartenden Boeing 737 liefen, kam Monika dazu, Norberts Eltern zu begrüßen. Sie waren sehr elegant gekleidet und sahen, fand Monika, irgendwie verkleidet aus. Beide trugen funkelnagelneue helle Gabardinemäntel, er dazu eine karierte Schirmmütze und sie eine Art Polohütchen, ebenfalls kariert.
„Was hast du denn da in deinem Korb?“ fragte Frau Stein sofort.
„Nichts“, erwiderte Monika wahrheitsgemäß, „das heißt: einen Seidenschal, den mir meine Tante Elly zu Weihnachten geschenkt hat.“
„Hättest du den nicht besser in deinen Koffer gepackt? Ein Schal nimmt doch keinen Platz ein.“
„Ja, aber vielleicht möchte ich ihn mir unterwegs um den Kopf binden.“
„Dann solltest du es jetzt tun! Hier weht ja ein ordentlicher Wind.“
Folgsam, wenn auch zögernd, öffnete Monika den Korb und nahm den Schal heraus. Offensichtlich war Amadeus nicht darin. Ingrid nahm ihr den Korb ab. Monika faltete den Schal zu einem Dreieck und band ihn sich um den Kopf.
Herr Stein lugte im Weitergehen in den Korb. „Sonst ist wirklich nichts drin?“
„Nein“, sagte Ingrid.
„Etwas Verrückteres habe ich noch nie erlebt! Einen Schal in einem Henkelkorb spazierenzutragen!“
„Er sieht mir wie ein Katzenkorb aus“, sagte Frau Stein.
„Und warum ist er mit Bändern verklebt? Und wozu diese vielen Verschlüsse?“
„Wenn wir im Flugzeug sitzen, erzähle ich’s Ihnen!“ versprach Monika. „Ich wette, es wird Sie interessieren.“
Sie hatten inzwischen die Maschine erreicht. Die ersten Passagiere begannen schon die steilen Treppen zu den Eingängen hinaufzusteigen. Mitten unter ihnen waren Herr und Frau Stein, Monika, Ingrid und Norbert.
Aber wo war Amadeus?
Monika war besorgt. Schon aus diesem Grund wollte
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