Komm mit mir nach Caracas
wandte den Blick ab. Sündhaft schlank und sexy? Jetzt wusste sie, was Maxie mit ihren Worten, Raul hätte sie darüber im Unklaren gelassen, was er von ihr wollte, gemeint hatte. Eine unpersönliche Beziehung musste klar definierte Grenzen haben, Raul war nach der Hochzeit distanziert gewesen und hatte keinen Versuch unternommen, sich wie ein normaler Ehemann zu verhalten, der eine Beziehung zu der Mutter seines Kindes hatte.
Dann schimpfte sie sich eine Idiotin. Hier stand sie nun und fragte sich, warum Raul sich so seltsam benahm! Aber hätten nicht die meisten Männer anders auf eine Frau reagiert, die halb nackt vor ihnen stand? Sie errötete noch tiefer.
„Ich ziehe mir etwas an, dann können wir miteinander reden", sagte sie schnell.
„Ich möchte erst Luis sehen." Er kam näher und hielt sie fest.
„Du bist nicht mehr wütend auf Maxies Mann, oder?" erkundigte sie sich besorgt, während sie ihn den Flur entlangführte.
„Ich habe Verständnis für einen Mann, der unwissentlich von seiner Frau in eine peinliche Situation gebracht wird", bemerkte er trocken. „Angelos ist Grieche und daher sehr traditionsbewusst. Er würde seine Frau fertigmachen, wenn er wüsste, dass sie dabei geholfen hat, meine Frau und mein Kind vor mir zu verstecken!"
Es war bereits das zweite Mal, dass er sie als „seine Frau" bezeichnete. Das war seltsam in Anbetracht der Tatsache, dass ihre Ehe eine Farce war.
„Raul ... ich brauchte Zeit zum Nachdenken", erklärte Polly angespannt.
Raul ließ ihre Hand los. „Du hattest einige Monate Zeit zum Nachdenken."
Aber in den letzten Wochen hat unsere Beziehung sich verändert, hätte sie ihm am liebsten gesagt, während sie beobachtete, wie er durch das elegant eingerichtete Gästezimmer ging, in dem Luis in seiner Wiege lag.
Sie war nicht einfach davongelaufen. Ihr war klar gewesen, dass sie sich irgendwann mit ihm auseinander setzen musste. In ihrem Gemütszustand war sie jedoch nicht in der Lage gewesen, ihm gegenüberzutreten, weil er so dominant war und nur davon profitieren konnte, wenn er sie zwang, ihn nach Venezuela zu begleiten.
Raul warf ihr einen kühlen Blick zu. „Ich kenne Digby schon von klein auf. Was du gehört hast, war ein vertrauliches Gespräch mit einem Freund. Ich schätze, du und deine Freundin Maxie seid über mich hergezogen ..."
Wieder schoss ihr das Blut in die Wangen.
Er betrachtete jetzt seinen Sohn, der gerade im Begriff war aufzuwachen. „Kannst du dir vorstellen, dass ich einen drei Seiten langen bitterbösen Brief schreibe und dann aus einem Impuls heraus einfach verschwinde?"
„Nein, aber..."
„Es gibt kein Aber", warf er höhnisch ein. „Nur Frauen führen sich so auf. Rod dachte, es wäre vielleicht eine Wochenbettdepression oder so etwas! Ich wusste es besser."
„Ich hätte dich zur Rede stellen sollen", gestand Polly angespannt und sah ihn dabei trotzig an.
„Statt deine Wut in einem Brief auszulassen." Er musterte sie ruhig. „Ich warne dich. Ich werde nicht zulassen, dass du je wieder in der Lage bist, unseren Sohn als Waffe gegen mich einzusetzen."
Zu ihrer Erleichterung fing der kleine Luis in diesem Moment an zu schreien, und sie ging zu ihm. Raul kam ihr jedoch zuvor. Er hob ihn aus der Wiege und redete beruhigend auf Spanisch auf ihn ein.
Nun wirkte er nicht mehr Furcht einflößend, sondern sehr zärtlich. Dass er so schnell und so mühelos von einer Stimmung zur anderen wechseln konnte, machte ihr am meisten Angst.
„Ich hole seine Flasche", sagte Polly leise.
Zuerst ging sie ins Schlafzimmer, um sich einen Morgenmantel überzuziehen. Als sie in das schwach erleuchtete Gästezimmer zurückkehrte, stand Raul von dem Sessel auf, damit sie sich hinsetzen konnte. Nachdem er ihr Luis in die Arme gelegt hatte, hockte er sich hin und beobachtete, wie er gierig saugte.
„Dios mio! Kein Wunder, dass er so groß geworden ist!"
Sie räusperte sich verlegen. „Raul, ich würde Luis niemals als Waffe benutzen ..."
„Das hast du bereits", erwiderte Raul, ohne zu zögern, und strich Luis zärtlich über den Kopf, bevor er wieder aufsprang. „Wenn Paare sich streiten, werden Kinder oft als Druckmittel benutzt. Darüber musst du dir im Klaren sein. Als die Ehe deiner Eltern gescheitert ist, hat dein Vater den Kontakt zwischen dir und deiner Mutter unterbunden. Und warum? Weil er sie dafür bestrafen wollte, dass sie ihn wegen eines anderen verlassen hatte."
Polly war erstaunt, dass er sich noch daran erinnerte.
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