Komm mit mir nach Caracas
dienen.
„Und wie geht es dir?" erkundigte sich Maxie, während sie zusammen Kaffee tranken.
„Ich fühle mich schuldig", gestand Polly zerknirscht, rang sich jedoch ein Lächeln ab, weil sie sich nicht anmerken lassen wollte, wie unglücklich sie war.
„Dazu hast du keinen Grund", tadelte Maxie sie. „Du brauchtest die Zeit für dich, um dir über dich selbst klar zu werden. Im letzten Jahr hast du eine Menge durchgemacht."
„Und noch mehr Fehler gemacht." Polly schnitt ein Gesicht. „Ich hätte Raul nicht heiraten dürfen. Es war egoistisch und unfair. Ich weiß wirklich nicht, was in mich gefahren ist."
„So ist es nun mal mit der Liebe. Manchmal ist man so wütend und verbittert, dass man es dem anderen mit gleicher Münze heimzahlen will", gestand Maxie zu Pollys Verblüffung. „Und dadurch wird alles noch schlimmer. Erst wenn alles zu viel wird, kommt man wieder zur Vernunft."
„Ich wünschte, das wäre mir vor der Hochzeit klar gewesen", meinte Polly kläglich.
„Raul hat auch Fehler gemacht", erklärte Maxie. „Er hat dich im Unklaren darüber gelassen, was er von dir will. Aber wenn du ehrlich zu ihm bist, wenn du dich wieder mit ihm in Verbindung setzt, wird die Lage sich etwas entspannen."
Doch Polly konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, Raul zu sagen, dass sie ihn liebte. Schließlich hatte sie ihn gezwungen, sie zu heiraten, wie ihr jetzt zu ihrem Entsetzen klar wurde. Aber ob es ihr nun passte oder nicht, er hatte allen Grund dazu, ihr vorzuwerfen, dass sie ihren Sohn als Druckmittel eingesetzt hatte. Auch wenn sie es nicht beabsichtigt hatte, so war genau das dabei herausgekommen.
Während ihres Aufenthalts in der Klinik hatte sie darüber gegrübelt, wie sehr Raul sie in Vermont verletzt hatte. Wenn sie ihn nie wieder gesehen hätte, wäre sie irgendwann darüber hinweggekommen. Dass sie ihn nun regelmäßig sah, hatte sie allerdings in ein wahres Gefühlschaos gestürzt. Sie war zu stolz gewesen, um sich einzugestehen, was sie für ihn empfand.
Und statt ihre Wut auf ihn zu unterdrücken, hatte sie ihr an jenem Tag in seiner Wohnung freien Lauf gelassen. Doch er hatte sie auch provoziert, indem er ihr das Recht abgesprochen hatte, ihr eigenes Leben zu führen. Aber eine Ehe wäre nur dann eine Alternative gewesen, wenn er sie gern geheiratet hätte.
Am Hochzeitstag war sie, Polly, außerdem Mutter geworden. Das allein war schon eine große Umstellung gewesen, aber sein Verhalten hatte ihre Angst vor der Zukunft verstärkt.
„Zuerst wollte Angelos auch nicht heiraten", gestand Maxie zu Pollys Überraschung.
„Hat er je gesagt, lieber würde er sterben als heiraten?"
„Hm, nein..."
Natürlich nicht. Angelos war genauso vernarrt in Maxie wie diese in ihn. Allerdings war Maxie auch eine tolle Frau, und die beiden hatten sich ineinander verliebt.
Angelos hatte Maxie nicht als Leihmutter ausgesucht.
Nachdem Maxie wieder gegangen war, dachte Polly darüber nach, dass sie sich unbedingt mit Raul in Verbindung setzen musste. Es war jetzt über drei Wochen her, dass sie die Klinik verlassen hatte.
Wenigstens weiß ich jetzt, was ich tun muss, dachte sie, als sie in dem luxuriösen Bad duschte, das zum großen Schlafzimmer gehörte. Sie wollte Raul vorschlagen, ihre Ehe annullieren zu lassen. Da sie Angst vor seiner Reaktion hatte, wartete sie bis neun Uhr abends, bis sie ihn schließlich unter der Nummer anrief, die er ihr in der Klinik gegeben hatte.
„Ich bin's. Polly ..."
Niemand antwortete, und dann hörte sie im Hintergrund ein Geräusch, das sie nicht einordnen konnte. „Raul?" fragte sie unsicher.
„Ich habe dich gehört." Seine tiefe Stimme klang so vertraut, dass es ihr beinah wehtat. „Wo bist du?"
„Hast du meine Nachricht bekommen?" erkundigte Polly sich angespannt.
„Ein dreiseitiger Brief ist nicht gerade eine ,Nachricht'."
„Es hat mich aus der Fassung gebracht, dich so über mich reden zu hören", gestand sie.
„An dem Tag musste ich meiner Wut einfach Luft machen. Ich hätte nie gedacht, dass du mich belauschst."
Sie entspannte sich ein wenig.
„Erzähl mir von meinem Sohn", drängte Raul.
„Könntest du ... könntest du vielleicht einmal unser Sohn sagen?"
„Das fällt mir schwer."
„Warum?"
„Weil das Wort ,unser' bedeutet, dass man etwas teilt... und in diesem Moment teilst du nichts mit mir."
Polly wurde blass, umklammerte den Hörer jedoch fester. „Ich ... ich wollte dich nicht in eine Ehe drängen", erklärte sie mit
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