Komm mit mir nach Kreta
stehen?“
„Natürlich.“ Aber als er sie losließ, musste sie sich am Waschbecken festhalten, um nicht hinzufallen. Erleichtert spürte sie, dass er ein paar Schritte von ihr wegging. In ein paar Minuten würde sie wieder zu Kräften gekommen sein, und dann würde sie ihn bitten zu gehen. Sie war dankbar für seine Hilfe, aber sie wollte, dass der Fremde endlich das Haus verließ.
Wieso war die Dusche an? Sophie drehte sich um und bereute es sofort. Ihr wurde so schwindlig, dass sie Mühe hatte, aufrecht stehen zu bleiben, obwohl sie sich gegen das Waschbecken lehnte.
Dann spürte sie seine Hände an ihrem Körper. Aus ihrer Benommenheit gerissen, schlug sie nach ihm, aber er war zu schnell. Schon hatte er ihr die Bluse aufgeknöpft und war dabei, den Reißverschluss an ihrem Rock zu öffnen. Mit einer verzweifelten Kraftanstrengung stemmte sich Sophie gegen ihn und merkte verwundert, dass sie nicht den feinen Stoff seiner Kleidung fühlte, sondern nackte Haut, die nackte Haut einer muskulösen starken Brust. Was sollte das? Noch einmal versuchte sie, ihn von sich weg zustoßen, doch gegen seine enorme Kraft hatte sie keine Chance.
Im Moment war Sophie allerdings nicht nach Bewunderung. „Lassen Sie mich in Ruhe!“, verlangte sie mit zitternder Stimme. „Raus hier, oder ich rufe die Polizei!“
Der Fremde ignorierte ihre Worte. Stattdessen fing er an, ihr die Kleidung vom Körper zu ziehen. Unter normalen Umständen hätte Sophie sich vielleicht besser wehren können. Aber es fiel ihr schon schwer, einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn, ihre Bewegungen zu koordinieren. Unbeholfen schlug sie mit der Faust nach ihm.
„Ich will Ihnen nichts tun!“, fuhr er Sophie an.
Sein Blick glitt mit solchem Abscheu über sie, dass sie es fast glaubte. Als er sie hochhob, fing der Raum um sie herum an, sich zu drehen. Sie nahm den Duft seiner nackten Haut wahr, und ihr wurde noch schwindliger. Dann ließ er sie herunter – direkt unter den harten Strahl der Dusche. Das Wasser traf ihren Kopf und ergoss sich über ihren Körper. Nur die Hände des Fremden hielten Sophie aufrecht. Er stand eine Armeslänge vor ihr entfernt, mit unbeweglichem Gesicht, lediglich ein Funkeln in den dunklen Augen, das sie nicht deuten konnte.
Allmählich wurden ihre Gedanken wieder klarer, und sie begriff, dass der Mann glaubte, sie müsse nüchtern werden. Wahrscheinlich dachte er sogar, sie habe eine Überdosis genommen. Warum sonst sollten sie beide nur mit Unterwäsche bekleidet in der Duschkabine stehen? Zu einem anderen Zeitpunkt, in einem anderen Leben hätte Sophie dieser Szene vielleicht etwas abgewinnen können: sie in BH und Slip aus weißer Spitze zusammen in der Dusche mit einem griechischen Gott in schwarzen Boxershorts.
Aber nicht heute.
Heute ist Samstag, dachte Sophie und bekam plötzlich einen völlig klaren Kopf, da der brennende Schmerz der Erin nerung sie mitten ins Herz traf. Gestern war der schlimmste Tag ihres Lebens gewesen. Kein Wunder, dass sie sich grauenhaft fühlte.
„Mir geht es jetzt wieder gut“, sagte Sophie. „Sie können mich allein lassen.“
„So sehen Sie aber gar nicht aus“, erwiderte der Unbekannte ungerührt. „Sie sehen aus, als bräuchten Sie unbedingt einen Arzt. Ich werde Sie ins Krankenhaus bringen, damit man Ihnen …“
„Was? Den Magen auspumpt? Hören Sie, ich habe ein paar Schlaftabletten genommen und offenbar nicht vertragen. Das ist alles.“
„Wie viele genau?“
„Zwei. Vielleicht auch drei, ich weiß es nicht mehr genau. Auf jeden Fall nicht genug, um an einer Überdosis zu sterben.“
„Und was haben Sie sonst noch genommen?“, fragte er scharf.
„Nichts. Ich nehme keine Drogen. Bitte lassen Sie mich los.“ Zögernd nahm er seine Arme herunter, blieb jedoch vor der Duschkabine stehen. Die Hände auf die Hüften gestützt, stand er da und versperrte ihr den Weg. Sophie konnte nicht anders, als ihn anzusehen. Er sah unverschämt gut aus: groß, sonnengebräunt und durchtrainiert, sein ganzer Körper schien nur aus straffen Muskeln zu bestehen. Aber der harte Gesichtsausdruck ließ Sophie erschauern. Noch immer spürte sie den Druck seiner kräftigen Hände an ihren Oberarmen. Bestimmt würde sie dort später blaue Flecken bekommen.
Ohne seine haltenden Arme fühlte sie sich noch unsicher auf den Beinen. Sie wartete einen Moment, bis sie die Kraft aufbrachte, sich umzudrehen und das Wasser abzustellen. In der plötzlichen Stille hörte sie das Atmen
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