Komm mit mir nach Kreta
müssen.
Fünf Minuten später setzte sich Sophie auf die verwitterte Parkbank und unterdrückte mühsam ein Stöhnen. Mr. Palamidis hatte recht gehabt. Sie hätte zu Hause bleiben sollen, statt eine Kraft vorzutäuschen, die sie nicht besaß.
Aber die frische Herbstluft tat ihr gut. Und sie waren jetzt in einer öffentlichen Grünanlage. Sie hätte es nicht ertragen, mit diesem Mann, der den Raum um sich herum so übermächtig beherrschte, weiter allein in ihrem Haus zu sein. Es war nicht nur seine Größe. Es lag daran, wie er sie durcheinanderbrachte. Der Mann strahlte eine Kraft und Autorität aus, der sie sich nicht entziehen konnte. Verstohlen musterte sie ihn. Er stand einige Meter entfernt und telefonierte. Sophie bemerkte, dass er von seinem perfekt geschnittenen Haar bis hin zu seinen glänzenden handgenähten Schuhen den Inbegriff dezenten Reichtums verkörperte.
Schließlich wandte er den Kopf und sah sie an. Sofort stieg ihr die Hitze in die Wangen. Sein Blick war völlig ausdruckslos.
Also warum fing ihr Puls an zu rasen?
„Ich bitte um Entschuldigung, Miss Paterson.“ Er klappte das Handy zu und setzte sich neben sie. „Der Anruf war sehr wichtig für mich.“
„Mein Name ist Sophie“, sagte sie schnell, um ihre Nervosität zu überspielen.
Er nickte. „Ich bin Costas, wie du weißt. Unter den gegebenen Umständen können wir auf das förmliche Sie wohl verzichten. Ist dir bekannt, dass deine Mutter eine Schwester hatte?“
„Ja. Sie und meine Mutter waren Zwillinge.“
„Deine Tante hatte eine Tochter, Fotini. Vor einigen Jahren haben Fotini und ich geheiratet, was bedeutet, dass ich mit dir verwandt bin.“
„Mein angeheirateter Cousin“, flüsterte Sophie und fragte sich, warum sie seinen Gesichtsausdruck so beunruhigend fand. Sie hatte diesen Mann immer nur beherrscht erlebt, doch seine angespannten Züge und der düstere Blick sagten ihr, dass er mit heftigen Gefühlen zu kämpfen hatte. „Ist deine Frau auch hier in Sydney?“
„Fotini ist im vergangenen Jahr bei einem Autounfall ums Leben gekommen.“
Jetzt verstand Sophie seine starre Miene. Er trauerte noch immer und versuchte, sich seinen Schmerz nicht anmerken zu lassen. „Das tut mir leid.“ Wie würde sie sich in einem Jahr fühlen? Alle behaupteten, der Schmerz wäre später leichter zu ertragen, die glücklichen Erinnerungen an ihre Mutter würden den Kummer irgendwann verdrängen. Sophie betrachtete den Mann neben ihr. Seine Wunden schien die Zeit nicht geheilt zu haben.
„Danke“, sagte er steif. Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Wir haben ein kleines Mädchen, Eleni.“
Sophie hörte die Liebe aus seiner Stimme heraus, sah, wie ein flüchtiges Lächeln über seinen Mund huschte. Sofort erhellte sich seine düstere Miene, und Sophie erblickte verwundert ein Gesicht, das … gut aussehend, attraktiv war? Nein, viel mehr. Es war unwiderstehlich. Es war ein Gesicht, in dem sich jede Frau stundenlang verlieren konnte und das zu den wundervollsten, sinnlichsten und verrücktesten Fantasien anregte.
Bestürzt rang Sophie nach Atem und wandte sich ab.
„Also hast du wirklich eine Familie in Griechenland“, sagte Costas. „Du hast Cousins. Die kleine Eleni. Und mich …“
Nein! Niemals könnte Sophie diesen Mann als Verwandten ansehen. Sie runzelte die Stirn. Der Gedanke war einfach zu absurd. Und zu beunruhigend.
„Und da ist dein Großvater Petros Liakos.“
„Ich will nicht über ihn sprechen.“
„Ob du willst oder nicht, du musst Bescheid wissen“, erklärte Costas.
Sophie weigerte sich, seinen Blick zu erwidern, und beobachtete stattdessen einige Zaunkönige, die in diesem Moment aus einem Strauch aufflogen.
„Deinem Großvater geht es nicht gut.“
„Bist du deswegen gekommen?“ Erneut stieg Wut in ihr auf. „Weil der Alte krank ist und schließlich doch noch seine Familie braucht? Warum sollte ich mich um einen Mann sorgen, der meiner Mutter mit seinem Egoismus das Herz gebrochen hat? Du hast den weiten Weg umsonst gemacht.“
„Nein, deswegen bin ich nicht hier. Aber der Zustand deines Großvaters ist ernst. Er hatte einen schweren Schlaganfall und liegt im Krankenhaus.“
Betroffen stellte Sophie fest, dass ihr diese Neuigkeit nicht gleichgültig war. Dass es ihr leidtat. Aber sie presste die Lippen zusammen. Sie würde sich nicht erlauben, Mitleid mit dem Mann zu haben, der ihre Mutter verstoßen hatte, nur weil sie sich nicht seinem Willen unterwerfen wollte. Er hatte
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