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Komm, suesser Tod

Komm, suesser Tod

Titel: Komm, suesser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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ist.
    "Die Rupprechterin hat mir erzählt, daß die Irmi bei ihr herumgeschnüffelt hat."
    Es hat automatisch ein bißchen aufgeregt geklungen, wie er das gesagt hat, obwohl er nur lauter geredet hat, um das Quietschen zu übertönen.
    "Wenn sie sonst nichts getan hat", hat die Angelika im Zurückkommen gesagt. "Sie hätte ja auch jeden Tag eine Million von ihrem Sparbuch abheben können, ohne daß die Rupprechterin es bemerkt hätte. Wäre nicht das erste Mal gewesen, daß eine Pflegerin sich bei so einer hilflosen alten Schachtel bedient."
    "Trotzdem. Ich habe mich ein bißchen umgehört. Die Irmi hat bei ein paar anderen Patientinnen auch herumgeschnüffelt."
    "Meinetwegen. Soll sie. Was willst du mit der? Die ist nur versehentlich erschossen worden!" ist der Angelika langsam die Geduld gerissen. "Die Frau hat auch ihr Leben lang Pech gehabt."
    "Wieso weißt du soviel über sie?"
    Die Angelika hat die Oliven aus der Glasschüssel in eine Plastikschüssel geleert und den Deckel draufgegeben, du weißt schon, diese Plastikdosen, die man früher auf eigenen Parties verkauft hat, und die Hausfrauen sind gekommen und haben alles gekauft, und dann sind sie nicht mit dem Haushaltsgeld ausgekommen und Scheidung und alles, aber die Schüsseln schon sehr praktisch.
    "Ich arbeite hier."
    "Und du wohnst bei uns."
    Sie hat die Schüssel in den Kühlschrank gestellt, und ich muß schon sagen: Wenn die Speisereste länger halten als die Ehe, ist auch nicht im Sinne des Erfinders. Der Ehe, will ich sagen. Im Sinne des Erfinders der Tupperwareschüsseln vielleicht schon, ja, siehst du, so heißen sie.
    "Die Irmi ist mit einem Kollegen von meinem Vater gegangen."
    "Mit wem?"
    "Den hast du nicht mehr gekannt."
    Sie hat mit einem rosaroten Wettex die Bar abgewischt und dann das Wettex in den frisch geleerten Mülleimer geworfen und dann an ihren Fingern gerochen und das Gesicht verzogen und dann gesagt: "Ich weiß gar nicht mehr, wie der geheißen hat. Alle haben immer nur Lungauer zu ihm gesagt. Obwohl er gar kein Lungauer gewesen ist, sondern ein Burgenländer. Keine Ahnung, wie der zu dem Namen gekommen ist."
    "Und hat er die Irmi sitzenlassen?"
    "Nein, die haben sogar heiraten wollen. Haben gut zusammengepaßt. Überhaupt, ich muß sagen, das ist einer von den Netteren gewesen."
    "Und?"
    Sie hat sich die Hände gewaschen, an ihrer Hose abgewischt und wieder an ihren Fingern gerochen. "Ein Wahnsinn, den Wettex-Geruch kriegst du einfach nicht weg von den Fingern.
    Der Lungauer ist immer mit dem 740er gefahren. Nicht mit dem neuen, sondern bevor sie den neuen gekriegt haben. Da ist der 740er der älteste gewesen. Bei dem ist fast jede Woche irgendeine Reparatur fällig gewesen. Aber der Lungauer war gelernter Mechaniker, der hat sich das meiste selber repariert.
    Zur Belohnung hat er dann immer mit dem alten Kübel fahren müssen, weil sich der Junior so die Reparaturkosten gespart hat."
    "Seit wann ist er weg?"
    "Seit einem guten Jahr vielleicht."
    "Hat er einen Unfall gebaut?"
    "Gebaut nicht. Aber gehabt." "Gebaut nicht, aber gehabt? Ist irgendwo ein Wörterbuch explodiert, daß mir heute lauter Wortklauber unterkommen?"
    Du darfst nicht vergessen, das Erdbeerlied ist ihm immer noch ein bißchen im Magen gelegen.
    "Einmal haben sie zu zweit einen Auspuff reparieren wollen.
    Das war nicht einmal bei seinem 740er. Aber er ist ein hilfsbereiter Typ gewesen." Die Angelika hat die Zigarettenpackungen gezählt und das Geld aus der Zigarettenschublade herausgenommen. "Jedenfalls ist eine Schraube komplett eingeschmolzen gewesen. Deshalb hat der andere Fahrer einen Helfer gebraucht. Sie sind zu zweit unter der Hebebühne gestanden. Der Lungauer hat dagegengehalten, und der andere hat sich mit aller Kraft in den Schraubenzieher gestemmt. Dann ist er abgerutscht und dem Lungauer mit dem Schraubenzieher genau ins rechte Aug gefahren."
    "Scheiße!"
    "Und mit voller Wucht mitten ins Hirn hinein."
    "Scheiße." Ihm hat die Vorstellung so weh getan, daß er am liebsten aufgeschrien hätte.
    "Das kannst du laut sagen."
    "Scheiße", hat der Brenner ganz leise gesagt.
    Ist natürlich keine angenehme Vorstellung. Und wenn man auch oft gedankenlos sagt, daß bei jemandem eine Schraube locker ist, so wünscht man ihm doch in den meisten Fällen nicht, daß sie ihm wer mit dem Schraubenzieher wieder anzieht.
    "Hat er es überlebt?"
    "Überlebt schon. Aber schwer bedient. Rollstuhl. Und geistig auch. Er vegetiert nur noch so dahin. Du weißt schon, wo

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