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Komm, suesser Tod

Komm, suesser Tod

Titel: Komm, suesser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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    "Da frag ich jetzt lieber nicht, unter welche Kategorie ich gefallen bin."
    "Ich war damals überzeugt", hat sie seinen Einwand ignoriert, "daß sich unterm Strich mehr als 50 Prozent der eigenen Entscheidungen als falsch herausstellen. Und wenn es nur 51 Prozent wären, dann wäre es klüger, daß man grundsätzlich immer das Gegenteil von dem tut, was einem sinnvoll erscheint."
    "Und warum hast du dich nicht daran gehalten?"
    "Eben deshalb. Das war schon die erste einleuchtende Entscheidung, an die ich mich nicht halten durfte, wenn ich mich daran halten wollte."
    "Da wird's kompliziert."
    "Jaja. Das Leben läßt sich nicht austricksen. Man muß durch den ganzen Mist durch."
    Siehst du, ein paar Schluck Kaffee getrunken, und schon ist die ganze Konzentration beim Teufel. Der Brenner und die Klara haben zwar noch ein bißchen gespielt mit der 50-Prozent-Theorie, Anwendung auf den Mordfall und überall das sinnloseste Gegenteil annehmen. Aber viel weiter als zu der Annahme, daß sich der Stenzl in einer akrobatischen Aktion selbst die Kugel ins Genick gepfeffert hat, sind sie dabei auch nicht gekommen.
    Wie der Brenner sich dann auf den Weg gemacht hat, hat die Klara gesagt: "Es dämmert schon."
    "Schön war's", hat der Brenner gemurrt.
    Zum Abschied hat sie ihm doch noch diesen herablassenden Erfahrene-Frauen-Kuß auf die Wange gegeben. Daß sie ihm dabei ein bißchen auf die Rippe gedrückt hat, hat dem Brenner wenigstens geholfen, daß er nicht sentimental wird.
    Ihr Abschiedswort hätte sie sich allerdings ruhig sparen können, wenn es nach dem Brenner gegangen wäre: "Wo ist eigentlich dein netter Jason-King-Schnurrbart geblieben?"
    Und sei ehrlich, möchtest du vielleicht nach so vielen Jahren noch an einen blonden Jason-King-Schnurrbart erinnert werden?
    Weil ich muß ganz ehrlich sagen, mit dem hätte er sogar seine Kreuzrettungskollegen beeindrucken können. Aber Schwamm drüber, ich sage, nach dreißig Jahren muß sogar ein blonder Jason-King-Schnurrbart verjährt sein.
    Er ist zu Fuß heimgegangen, fast eine Stunde lang. Er hat gespürt, daß er sowieso nicht schlafen könnte. Und so ein Heimweg in der Morgendämmerung hat ja auch einiges für sich.
    "Schön war's", hat er halb zu sich selber, halb zum verblassenden Vollmond gesagt.
    Aber bevor es dem Brenner gedämmert hat, haben noch zwei Menschen sterben müssen.
    Wien ist ja eine Stadt, von der es oft heißt, daß man hier besonders gut sterben kann. Das ist schon möglich, ich persönlich finde aber, daß man in Wien auch besonders gut Spazierengehen kann. Besonders in den Stadtteilen, die ein bißchen hügelig sind, da belastet man einmal mehr diesen Muskel, dann wieder einen anderen, und da wird man nicht so schnell müde wie im Flachen.
    Und dem Brenner ist es jetzt um halb fünf Uhr früh natürlich auch angenehm gewesen, daß die Döblinger Hauptstraße so schön bergab gegangen ist. Fast ist ihm vorgekommen, daß die prächtigen Herrschaftshäuser von selber an ihm vorbeispazieren, und er hat sich ein bißchen gewundert, daß in diesem guten Klima so böse Menschen wie die Frau Rupprechter wachsen.
    Nach einer Dreiviertelstunde ist er in seiner Wohnung angekommen, die Beine haben ihm weh getan, der Kopf hat ihm weh getan, und die Rippe hat ihm weh getan.
    Er hätte sich gern geduscht, aber mit dem Brustverband hat er es gleich wieder aufgegeben. Nur ein bißchen gewaschen, dann gefrühstückt, und wie er sich um sieben in den Bereitschaftsraum gesetzt hat, ist es ihm ganz normal vorgekommen, daß sofort die Alarmglocke gegangen ist.
    Und ich weiß auch nicht, wie das menschliche Hirn hier funktioniert, ob wirklich der Kontakt mit verwandten Elementen so eine steigernde Wirkung hat. So wie es ja auch immer wieder heißt, daß man die Boxer mit Stierblut dopt und die Langstreckenläufer mit Rentierblut. Oder ob das auch nur so eine Vollmond-Theorie ist. Jedenfalls: Zwei achtzehnjährige Kamikaze-Rennfahrer mit den Wunschkennzeichen Pole 1 und Elvis 1 haben sich am Gürtel mitten im dreispurigen Berufsverkehr ein Duell vom Westbahnhof zur Schlachthausgasse geliefert. Der schwarze Audi Quattro ist aber genausowenig bei der Schlachthausgasse angekommen wie der rote Alfa. Weil zuerst ist der Audi Quattro mit dem Kennzeichen Elvis 1 am Gaudenzdorfer Gürtel ausgerutscht und dann der rote Alfa volle Wäsche in den Quattro hinein.
    Aber daß es so was gibt! Wie der Brenner das Hirn von den beiden Achtzehnjährigen von der Mittelleitschiene

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