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Komm, suesser Tod

Komm, suesser Tod

Titel: Komm, suesser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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geputzt hat, hat sich auf einmal in seinem eigenen Hirn etwas gerührt.
     

13
    Der Tod ist vielleicht groß. Aber Wien ist auch groß. Wenn du mit der Fünfer vom Westbahnhof zum Nordbahnhof fährst, bist du fast eine Stunde unterwegs. Und da bist du noch lange nicht draußen in der Bronx. Noch lange nicht in der Großfeld- oder in der Trabrennsiedlung oder am Schöpfwerk draußen, wo sie immer die Vergewaltiger haben und die Jugendbanden und die Zeitungsleute.
    Und da liest man dann in der Zeitung, wie gefährlich es am Schöpfwerk ist, weil das Crack, oder wie der Dreck heißt, die Leute so aggressiv macht, daß sie dir den Kopf abschneiden.
    Aber niemand schreibt über die tiefere Ursache. Niemand schreibt über die Burenwurst. Weil die Burenwurst macht so aggressiv, das glaubst du nicht. Käsekrainer, Zigeuner, Cabanossi machen auch aggressiv, aber im Grunde genommen macht nichts so aggressiv wie die heiße Burenwurst, außer natürlich der heiße Leberkäse.
    Als Rettungsfahrer kannst du das oft erleben, daß du nach einer Schlägerei die Beteiligten einliefern mußt und sie kotzen dir das Auto voll. Und zu 80 Prozent kannst du dir sicher sein, daß du dann irgendwas vom Würstelstand dabeihast, meistens eine Burenwurst. Ich weiß nicht, liegt es am Fett oder liegt es an den Zusätzen. Daß sie womöglich ein Pulver hineinmischen, das den Menschen aggressiv macht.
    Sonst würde ich sagen, vielleicht von den verrückten Kühen drüben. Aber Kuhfleisch ist ja keines drinnen in der Burenwurst.
    Überhaupt kein Fleisch eigentlich. Jedenfalls hat das der Großvater vom Brenner in seinen letzten Lebensjahren immer gesagt: Heute ist überhaupt kein Fleisch mehr drinnen, nur mehr Sägespäne.
    Und da hat jetzt der Brenner auf seine alten Tage erleben müssen, daß sein Großvater damals unrecht gehabt hat. Weil wenn sie ihm in das Rettungsauto gekotzt haben, dann hat es nicht nach Sägespänen gerochen.
    Aber ich will auf ganz etwas anderes hinaus. Ich sage: Der Tod ist groß, und Wien ist auch groß. Und das stimmt auch.
    Aber die Welt ist klein! Weil der Herr Oswald hat in Alt Erlaa gewohnt, und der Lungauer hat auch in Alt Erlaa gewohnt. Und das ist zwar auch so eine Satellitensiedlung, aber nicht Schöpfwerk und nicht Großfeldsiedlung, sondern im Gegenteil: Edelsatellit. Mittelstandssatellit. Acht Hochhaustürme und so viele Bewohner wie ganz Eisenstadt. Mit Schwimmbädern auf den Dächern und Kindergärten und alles.
    Aber der Lungauer und der Herr Oswald haben sich bestimmt nicht aus dem Kindergarten gekannt. Erstens ist Alt Erlaa damals noch gar nicht gestanden. Zweitens hat der Lungauer überhaupt erst seit dem Unfall hier bei seiner Mutter gewohnt.
    Und außerdem war er erst achtunddreißig Jahre alt, also er hätte schon rein altersmäßig nie mit dem Herrn Oswald in den Kindergarten gehen können.
    Jetzt, warum sage ich dauernd Kindergarten. Der Lungauer ist eineinhalb Jahre nach seinem Unfall so hilflos wie ein kleines Kind gewesen. Er ist in seinem Rollstuhl gesessen, ganz zusammengesunken, daß der Brenner gleich gesehen hat: Sogar das Sitzen ist ihm eigentlich zuviel.
    Er war so dürr wie diese Fotomodelle, mit denen du heute Millionen verdienen kannst. Ich sage ja immer, eine Frau darf ruhig ein bißchen gepolstert sein. Aber natürlich, für einen Modefotografen ist das Teuerste der Film, der spult und knipst und spult und knipst, und am Abend hat er ein paar hundert Meter Film verschossen, das kostet ein Vermögen. Und da kannst du mit einem dünnen Fotomodell natürlich viel Film sparen.
    Aber Fotomodell ist doch noch einmal was anderes als die erbärmliche Gestalt vom Lungauer. Wie der, nur noch Haut und Knochen, in seinem Rollstuhl gehängt ist. Und dabei hat man noch froh sein müssen, daß er sowenig gewogen hat, weil sonst hätte er seinen Oberkörper gar nicht mehr aufrecht halten können.
    Seine fettigen Haare sind über den Kragen von seinem neuen Jogginganzug gehängt, und wie er so dagesessen ist, hat der Brenner an diesen bekannten Weltallforscher denken müssen.
    Ich habe mir das Buch auch gekauft, und ich muß sagen, weit bin ich nicht gekommen, aber schon hochinteressant mit den schwarzen Löchern und alles.
    Die Mutter vom Lungauer hat den Brenner zu ihrem Sohn hingeführt und ihn vorgestellt. Dabei hat sie so laut und deutlich geredet, wie man eben mit jemandem spricht, der nicht ganz da ist. "Das ist der Herr Brenner! Ein neuer Kollege von dir! Bei der Rettung!"
    "Grüß Gott", hat

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