Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Komm wieder zurück: Roman

Komm wieder zurück: Roman

Titel: Komm wieder zurück: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Reed
Vom Netzwerk:
lächelt verkrampft und verlegen, was sie aber ganz offensichtlich nicht mitbekommen soll.
    Auf der Veranda wird es warm. Annie streift die Schuhe ab, zieht den Reißverschluss der Fleecejacke auf und geht hinein, um etwas zu trinken. Sie kehrt mit zwei Gläsern Mandarinensaft zurück und ertappt Calder dabei, wie er eine Melodie in den Garten hinauspfeift. Sie reicht ihm kaum bis zu den Schultern. Abgesehen davon sehen sie sich ähnlicher als alle Geschwister, die sie kennt. Viel dunkles welliges Haar, hellblaue Augen und ein Haufen Sommersprossen, die sie von Grandad Walsh geerbt haben. Sie folgt der feinen, geschwungenen Linie seiner Braue hinab zu dem fleckigen irischen Wangenrot. Er wirkt glücklich. Entspannt. Fraglos nüchtern.
    Sie nimmt neben ihm auf dem Geländer Platz und drückt ihm den Saft in die Hand wie ein Friedensangebot. Seine Haut verströmt den Geruch von sandigem Boden. Kein Alkohol. Nicht einmal der strenge Geruch, der aus Poren strömt und das Trinken in den letzten Tagen verrät. Vor sechs Monaten hatte sie ihn in
Hal’s Roadside Bar
gefunden, wie er mit gerötetem, aufgedunsenem Gesicht und roten und gelben Augenschatten über der Theke hing. Er konnte ihr nur mit Mühe ins Ohr lallen: »Du willst gar nicht wissen, wie jung sie ist. Ich hätte es dir sagen sollen. Wollte ich auch.« Bevor er ohnmächtig wurde, hatte er Owen als Arschloch beschimpft. Owen war sein bester Freund gewesen.
    Ein paar Tage später kam er vorbei, um seinen Bobcat-Lader abzuholen, der seit seiner Gartengestaltung immer noch bei Annie stand. Er roch nach Whiskey und als ob er sich tagelang nicht gewaschen hätte.
    Dann kamen das Gekreisch, die Verwünschungen. »Wie konntest du mir das antun!« Sie musste das mindestens zehn Mal gebrüllt haben. Als er sich weigerte, darauf zu antworten, sich sogar weigerte, ihr in die Augen zu sehen, merkte sie, dass da mehr war. Sie dachte an die Gelegenheiten, wenn er und Owen weggefahren waren, um Zubehör für die Tonanlage zu kaufen und im St. Johns River zu angeln und Bäume abzutransportieren. Ihr wurde klar, dass sie das gar nicht getan hatten. »Du hast ihn gedeckt, ja?« Er schirmte die Augen vor der Sonne ab, und dann massierte er einen offenbar scheußlichen Kater in seiner Stirn. »Antworte mir!« Er wusste nicht mal die Hälfte von dem, was sie in jenen drei Tagen, nachdem Owen verschwunden war, durchgemacht hatte. Was hätte sie nicht für ein letztes Fünkchen Hoffnung, dass ihr eigener Bruder, der einzige Mensch, auf den sie ein Leben lang gezählt hatte, nicht dem Mann, den sie liebte, geholfen hatte, sie zu betrügen! Doch ihr Bruder zuckte zusammen und stotterte, und mehr brauchte sie nicht als Antwort. »Komm bloß nie wieder hierher!«, hatte sie gesagt. »Ich meine es ernst. Nie wieder.« Der schlimmste Verrat, den sie je empfunden hatte, schlimmer noch als Owens Tage des Verrats zuvor, hatte sich wie ein Wurm in sie hineingebohrt.
    Jetzt ist er hier, sechs Monate später, und riecht frisch wie die Erde. Wie starker Kaffee mit Zimt.
    Die Brise ist warm und feucht. Die Vögel sind wieder zu einem fast klaren Himmel aufgeflogen.
    »Ich bin in sie verliebt, Annie«, sagt Calder. Dann leiser: »Und sie in mich.« Er schluckt Luft. Seine Hände zittern. Er sieht beim Sprechen weg. »In meinem ganzen Leben habe ich nie gewusst, wie es ist, so zu lieben.«
    Sie kann nur starren. Sie lacht beinahe. Dann lacht sie tatsächlich, aber es klingt gezwungen, zu nah am Weinen. »
Was?
« Ihre Stimme ist brüchig. Sie sieht auf ihre rissigen Hände hinunter, auf das winzige Lotus-Tattoo auf der Innenseite ihres Handgelenks, und sie erinnert sich, wie Calder als Erster gegangen war und ihr erzählt hatte, es sei gar nicht schlimm, nicht schlimmer als eine Spritze in den Arm. Doch das war es, viel schlimmer, und sieerinnert sich, wie die Nadel immer wieder in die dünne zarte Haut ihres Handgelenks stach.
    »Sag, dass du nicht gekommen bist, um mir zu erzählen, wie glücklich verliebt du bist.«
    Calder stößt beim Aufstehen an eine rostige Kuhglocke, die auf den Boden fällt. Detour zuckt zusammen.
    »Schlimm genug, was du getan hast. Schlimm genug«, sagt sie und verkneift sich hinzuzufügen,
dass ich im Supermarkt war und Hühnchen, Cheddar und einen Schwangerschaftstest gekauft habe, als er mich verlassen hat.
»Dass ich monatelang«, fährt sie fort, »immer wieder mit der Frage aufgewacht bin, ob mit mir was nicht stimmt, weil mich jemand so sang- und klanglos

Weitere Kostenlose Bücher