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Komm zu mir, Schwester!

Komm zu mir, Schwester!

Titel: Komm zu mir, Schwester! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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Megan Stratton, sie war ein kleines Mädchen mit himmelblauen Augen und hellem Haar, deren Nase von Sommersprossen gesprenkelt war. Ich hatte sie selbst willkommen geheißen, als meine Eltern sie aus dem Krankenhaus mit nach Hause gebracht hatten. Winzig und rotgesichtig war sie gewesen, und voller Inbrunst hatte sie aus den Tiefen der flauschigen blauen Decke gebrüllt, die einmal Neal gehört hatte. Eine dunkle, fremde Schwester namens Lia hatte ich nicht. Nicht mal in meinen Träumen konnte und wollte ich sie akzeptieren. Sie gehörte nicht zu mir.
    Â»Verschwinde!«, sagte ich wütend, als sie sich über mein Bett beugte. »Geh woandershin, wer auch immer du bist. Ich will dich hier nicht haben!«
    Und – weg war sie.
    Ohne eine Bewegung, ohne ein Rascheln war sie gegangen. Einfach so, eben hatte sie noch neben mir in der Dunkelheit gestanden, im nächsten Moment nicht mehr.
    Ich atmete tief ein und ließ die Luft mit einem stummen Seufzer wieder heraus, dann drückte ich mein Gesicht ins Kissen. Diese Nacht schlief ich, ohne zu träumen. Und die nächste Nacht und die darauf auch. Am Ende der Woche konnte ich mir sagen, dass es vorüber war. Ich war die verrückte Zwangsvorstellung los, die mich in ihrer Gewalt gehabt hatte. Das Spiegelmädchen hatte mich verlassen. Ich war frei.
    An jenem Wochenende segelte ich mit Gordon die Regatta. Wir kamen nur auf den dritten Platz, weil wir beim Umschiffen der letzten Boje Schwierigkeiten hatten. In der Woche darauf lud ich Helen für den nächsten Samstag ein, sich die Insel anzusehen und in Cliff House zu übernachten. Da der Besuch unvermeidlich war, versprach ich mir nichts davon, ihn aufzuschieben. Abgesehen davon waren Helen und ich mit der Zeit immer bessere Freundinnen geworden.
    Zu meiner Überraschung schien die Aussicht auf einen Gast meine Eltern überhaupt nicht zu stören.
    Â»Wir können die Luftmatratze in dein Zimmer legen«, sagte Dad. »Du musst ihr nur klarmachen, dass sie nicht damit rechnen darf, von uns unterhalten zu werden.«
    Â»Ich hab ihr erklärt, wie es bei uns läuft«, versicherte ich ihm. »Helen ist ganz locker, ihr ist alles recht.«
    Â»Wie schön, dass du eine neue Freundin hast«, sagte Mom und machte irgendwelche vagen Versprechungen, eventuell Kuchen zu backen. Ich wusste, das würde nie passieren, aber der Gedanke war immerhin gastfreundlich.
    Nur Gordon hatte etwas gegen den Besuch.
    Â»Willst du damit etwa sagen, dass du sie auch über Nacht noch an der Backe hast?«, fragte er gereizt. »Ich dachte, wir würden Samstagabend auf dem Festland ins Kino gehen.«
    Â»Können wir doch trotzdem machen«, sagte ich. »Du kannst doch versuchen, jemanden für Helen klarzumachen.«
    Â»Einen Zweimetermann mit Augenfehler?«
    Â»Wie gemein«, sagte ich. »Sie mag ja nicht zum Umfallen schön sein, aber sie ist echt nett. Rennie ist doch gerade mit keiner so richtig zusammen, oder?«
    Â»Mit einer wie Helen Tuttle würde Rennie sich niemals in der Öffentlichkeit zeigen«, meinte Gordon. »Er hat’s gern, wenn seine Mädchen süß und anhänglich sind. Was machst du eigentlich mit dieser Loserin, Laurie? Nicht mal die Mädchen mögen sie. Mary Beth sagt, sie ist tierisch nervig.«
    Â»Ist sie nicht«, stellte ich richtig. »Sie ist einfach nur freundlich. Wo sie herkommt, sind die Leute nicht so reserviert. Was ist denn mit Tommy? Der ist groß, und dieses Ferienmädchen aus Vermont, mit dem er zusammen war, ist längst wieder zu Hause.«
    Â»Vergiss es«, sagte Gordon. »Die Mühe lohnt sich nicht. Ich hab keine Lust, am Samstagabend Helen Tuttle durch die Gegend zu schleifen. Schönes Wochenende mit deiner neuen Freundin! Wir sehen uns dann Montag.«
    Nach diesem Gespräch war ich deprimiert, ich fühlte mich innerlich irgendwie leer, aber als ich am Samstagmorgen am Anleger Helens Gesicht sah, besserte sich meine Laune sofort. Ihr rotes Haar war vom Wind zerzaust und ihre Augen leuchteten.
    Â»Das war echt Wahnsinn!«, rief sie. Als sie auf den Pier kletterte, fiel ihr beinahe ihre kleine Reisetasche ins Wasser. »Kapitän Ziegler – ist er nicht Mary Beths Vater? – war toll. Ich durfte bei ihm im Ruderhaus sitzen und auch mal steuern. Und später hab ich dann ganz oben gestanden, wo ich den totalen Überblick hatte! Weißt du eigentlich, dass ich

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