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Komm zu mir, Schwester!

Komm zu mir, Schwester!

Titel: Komm zu mir, Schwester! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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zum ersten Mal in meinem Leben auf einem Schiff gewesen bin?«
    Â»Du machst Witze«, sagte ich ungläubig.
    Â»Nein, ist so. Das einzige Wasser, was es bei uns zu Hause gab, lief nach Wolkenbrüchen durch die Arroyos. Ich kann mich nicht an den Gedanken gewöhnen, dass du jeden Tag mit der Fähre zur Schule kommst, so wie ich früher den Bus genommen habe.« Sie atmete die Seeluft tief ein. »Wie sauber das riecht! Du hast ja so ein Glück, Laurie, dass du das ganze Jahr lang an so einem wunderschönen Ort leben kannst!«
    Als sie hinter der Kurve den ersten Blick auf Cliff House werfen konnte, flippte sie richtig aus. »Das sieht ja aus wie ein Märchenschloss!« Je näher wir kamen, desto enthusiastischer wurde sie. Auf der Wendeltreppe staunte sie bei jeder Stufe mehr, und als wir ins Wohnzimmer kamen, war sie total hingerissen.
    Â»Das ist ja so toll!«
    Wir wohnten jetzt schon so lange auf der Insel und mit den Jahren war unser Haus für mich was ganz Normales geworden. Aber jetzt konnte ich es mit einem Mal auch wieder mit den Augen eines Neuankömmlings sehen. Die wettergegerbten Balken unter der hohen Decke, der riesige Kamin aus Stein mit Moms beeindruckenden Meeresbildern links und rechts daneben, das große Panoramafenster, das aufs Meer hinausging.
    Â»Mom arbeitet oben.« So erklärte ich die Abwesenheit meiner Familie. »Mein Bruder Neal auch, samstagmorgens bekommt er Malstunden bei ihr. Dad schläft lange, weil er nachts schreibt, und meine Schwester …«
    Â»Ist hier!«, verkündete Meg lautstark und tauchte hinter dem Sofa auf. »Ich habe unterrichtet, jetzt ist Essenspause. Meine Schüler sind am Verhungern.«
    Ich stellte sie Helen vor, dann gingen wir drei runter in die Küche, wo Meg das Saft- und Crackerritual für sich und einen ganzen Sack voll Stofftiere vollzog, während Helen und ich uns Brote mit Erdnussbutter und Gelee schmierten, die wir in einem Rucksack verstauten.
    Dad kam runter, ehe wir fertig waren. Er begrüßte Helen freundlich, wenn auch etwas schläfrig und holte sich Eier aus dem Kühlschrank.
    Â»Brecht ihr Mädels zu einem Picknick auf?«, fragte er.
    Â»Ich dachte, wir fahren mal mit den Rädern die Insel ab«, sagte ich.
    Â»Schön – sehr schön. Das ist doch ein guter Plan. Dann sehen wir uns also später beim Abendessen …« Mit den Gedanken war er längst in den Reichen der Außerirdischen.
    Ich schulterte den Rucksack und führte Helen runter in den Schuppen, in dem wir unsere Fahrräder untergestellt hatten. Mein Rennrad überließ ich ihr, ich nahm Neals kleineres Rad, dann machten wir uns auf den Weg.
    Wir fuhren an diesem Tag die ganze Insel ab, von Cliff House, dem nördlichsten Punkt, bis zu den leer stehenden Sommerhäusern am Südende. Die Sonne brannte auf unsere Köpfe herunter, beim Radfahren konnte ich geradezu mitverfolgen, wie auf Helens Gesicht und Armen immer neue Sommersprossen auftauchten. Ab und zu machten wir Halt, um wilde Trauben zu pflücken und die letzten Blaubeeren – und Helen musste sich unbedingt die Fischernetze anschauen, die zum Trocknen in der Sonne hingen. Unser Mittagessen aßen wir in einer Mulde in den Dünen auf der Ostseite der Insel. Wir ließen die Schuhe bei den Fahrrädern stehen und gingen am Wasser den Strand entlang, wo die eisigen Wellen sich über unsere Zehen hermachten.
    Später lagen wir alle viere von uns gestreckt im Sand und redeten, und langsam merkte ich, wie es war, mich einer Freundin anvertrauen zu können, die nicht alles gleich beurteilen musste, einen Menschen zu haben, bei dem ich ich selbst sein konnte – und nicht bloß »Gordon Ahearns Freundin«.
    W ir redeten über die Schule, unsere Familien und – natür lich – Jungs. Ich erzählte Helen, wie schüchtern und hässlich ich mich früher immer gefühlt hatte und wie sehr mein Leben sich verändert hatte, seit ich mit Gordon zusammen war.
    Helen erzählte mir von einem Jungen namens Luis Nez.
    Â»Das war der Name, den er in der Schule benutzte«, sagte sie. »Seinen Navajonamen durfte ich nicht wissen. Die Navajos sind sehr verschwiegene Leute. Luis war mein Freund, aber es gab so viel, was er nicht mit mir teilen konnte.« Sie machte eine Pause, dann hob sie die Hand und berührte die winzige türkise Schnitzerei an ihrem Hals. »Als ich wegging, hat er

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