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Komm zu mir, Schwester!

Komm zu mir, Schwester!

Titel: Komm zu mir, Schwester! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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Büro, zog die Hängekartei heraus und blätterte den alphabethisch geordneten Inhalt durch.
    Ich stieß auf Verträge für Bücher und Filme, auf Geschäftskorrespondenz, Kontoauszüge und jede Menge ordentlich gebündeltes Recherchematerial. Es gab auch Ordner für jedes von uns Kindern. Die von Neal und Meg ignorierte ich und zog gleich den raus, der mit »Laurie« beschriftet war. Erstaunlicherweise fand ich darin sowohl meine alten Schulzeugnisse als auch eine Sammlung selbst gemalter Geburtstags- und Vatertagskarten, die bis zurück in Kindergartenzeiten reichte. Es gab auch eine Akte mit amtlichen Papieren, die meinen rechtlichen Status als Kind von James und Shelly Stratton bestätigten, und Fotokopien einiger kurzer Briefe an eine »Mrs. Margaret Hastings, Leiterin der Hastings Adoptionsagentur« in Gallup im Staat New Mexico.
    Die Briefe enthüllten nichts, was mich persönlich betraf, es waren nur Protokolle von Besprechungen, die offenbar telefonisch stattgefunden hatten. Doch darauf war die Adresse der Agentur vermerkt. Ich schrieb sie ab, hängte den Ordner wieder in die Kartei und ging hoch in mein Zimmer, um den Brief zu schreiben. Eine Viertelstunde später schwang ich mich aufs Rad und fuhr zur Post im Dorf, wo ich den Brief abschickte. Als Absenderadresse hatte ich die von Helen angegeben, denn ich wollte nicht, dass meine Eltern einen Umschlag mit dem Logo einer Adoptionsagentur in unserem Postfach fanden.
    Wie sich herausstellte, hätte ich mir darüber keine Sorgen zu machen brauchen. Die Antwort auf meinen Brief kam erst Anfang November – und das auf dem persönlichen Briefpapier einer »Mrs. Thomas Kelsey«.
    Indessen war es Herbst geworden. Die Luft wurde erst ziemlich frisch und schließlich eisig und die Bäume auf dem Festland färbten sich golden und rot. Auf der Insel wurden die Gräser und der Strandhafer braun. Die kleinen Eichen verloren ihre Blätter und der Giftefeu in den Hecken an der Straße leuchtete in tiefstem Rot.
    Mitte Oktober waren die kleinen Ruderboote aus dem Wasser gezogen worden, und die einzigen Boote, die am Horizont zu sehen waren, waren die der Berufsfischer. Die Andenkenläden und die Galerie schlossen und auf den Straßen des Dorfes ließ sich kaum noch ein Tourist blicken. Hohe Wellen brachen sich an den verlassenen Stränden und der Himmel war mal blau, mal grau.
    Der Herbst ist kurz auf Brighton Island. Er ist nur das kleine Vorspiel für den Winter.
    Gordon sah ich nur noch selten. Dafür gab es Gründe. Er und Blane waren seit Kurzem in der Basketballmannschaft, das bedeutete, dass sie nach dem Unterricht zum Training in der Schule blieben und mit einer späteren Fähre zur Insel zurückfuhren. An den Wochenenden arbeitete Gordon mit seinem Vater zusammen, sie führten Reparaturen an ein paar der Sommerhäuser durch. Die Ahearns besaßen eine ganze Reihe davon an der Südseite der Insel.
    Wir gingen zur Halloweenparty der Highschool, zusammen mit Blane und Darlene, Tommy und einem Mädchen namens Crystal. Eigentlich hätte es Spaß machen sollen. Die Turnhalle war mit Kürbissen und Maiskolben geschmückt und über der Tanzfläche zeichnete sich die Silhouette einer Hexe auf dem Besen vor einem Vollmond ab. Der DJ war echt gut, sogar die Lehrer tanzten. Aber ich konnte einfach nicht in Stimmung kommen. Ich tat alles, was erwartet wurde. Ich tanzte, ich lachte, ich machte Party-Smalltalk und schüttete mir den Punsch rein, den Blane großzügig mit Wodka gestreckt hatte. Den hatte er in einer Tüte mit dem Schriftzug »Tricks und Treats« reingeschmuggelt.
    Aber irgendwas fehlte. Ich spürte es – und Gordon auch.
    Als er mich nach Hause brachte, fragte er: »Hattest du Spaß?«
    Â»War ganz toll«, sagte ich. »Und du?«
    Â»Ja, klar«, sagte er. »War klasse.«
    Irgendwie hofften wir wohl, wenn wir uns das nur lange und enthusiastisch genug versicherten, würde es schon wahr werden.
    Morgens auf der Fähre fuhr ich immer noch zusammen mit Gordon und den anderen, aber auf den Rückfahrten kletterte ich aufs Oberdeck und saß dort allein oder mit Neal zusammen. Der Wind war stark und kalt und ich kuschelte mich in meine Daunenjacke und zog mir den Schal so hoch, dass nur noch die Augen frei waren. Manchmal war Jeff auch da oben, immer steckte er die Nase in ein Buch und mit einer behandschuhten Hand

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