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Komm zu mir, Schwester!

Komm zu mir, Schwester!

Titel: Komm zu mir, Schwester! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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wieder. Die einzigen beiden Menschen, denen ich davon erzählte, waren Gordon und Helen. Gordon sagte nicht viel, aber was sollte er auch sagen? Er murmelte irgendwas in der Richtung, dass »es ja echt abgedreht sei, so was über sich zu erfahren«, und wechselte das Thema, als ob ihm das alles zu peinlich wäre.
    Für Helen war es überhaupt keine Überraschung.
    Â»Das hatte ich mir schon gedacht«, sagte sie. »Besonders nachdem ich bei dir zu Hause war und gesehen habe, wie blond deine Familie ist. Ich lag sogar richtig mit dem indianischen Erbe. Du hast eine hellere Haut als die Kinder, mit denen ich zur Grundschule gegangen bin, aber deine Augen und Wangenknochen sind ganz typisch für die Navajo.«
    Â»Ich fühle mich gar nicht wie eine Navajo«, sagte ich.
    Â»Natürlich nicht, du bist ja auch nicht so aufgewachsen. Du fühlst dich wie eine Stratton. Aber … Lia. Was wissen wir denn über sie? Sie könnte von sonst wem adoptiert worden sein. Vielleicht lebt sie hier in New England, vielleicht auch in Kalifornien oder Florida oder wer weiß wo.«
    Â»Möglicherweise sogar in einem anderen Land, es könnte ja sein, dass ihre Adoptiveltern Diplomaten waren oder so«, sagte ich, die Vorstellung faszinierte mich.
    Â»Oder sie könnte immer noch in New Mexico sein«, fuhr Helen fort. »Der Ort spielt keine Rolle. Wenn sie fähig ist, Astralreisen zu machen, kann sie das überall tun, egal, wo sie gerade ist.«
    Â»Aber woher soll sie wissen, wie das geht?«, fragte ich. »Bis du es mir erklärt hast, hatte ich noch nie von Astralreisen gehört. Wie soll Lia so was wissen? Und wo hätte sie lernen können, wie man es praktiziert?«
    Â»Die Antwort darauf kann dir nur ein Mensch allein geben«, sagte Helen.
    Â»Und die kann ich nicht fragen. Seit der Nacht, in der du sie gesehen hast, ist sie nicht wieder zu mir gekommen. Vielleicht hat sie Angst gekriegt, als sie eine Fremde in dem Bett gefunden hat, das sie für meins gehalten hat. Vielleicht kommt sie nicht zurück.«
    Â»Ich hoffe, das stimmt«, sagte Helen.
    Â»Ich nicht!« Diese Worte platzten einfach so aus mir heraus, ich hatte nicht bewusst darüber nachgedacht und erschrak genauso wie Helen.
    Â»Aber ich dachte, du wolltest, dass sie weg ist«, sagte sie erstaunt.
    Â»Wollte ich auch, aber jetzt …« Ich ließ den Satz ins Leere laufen, denn ich wusste nicht, wie ich ihn beenden sollte.
    Â»Sie ist böse, Laurie. Sie ist darauf aus, dir was anzutun.«
    Â»Wie willst du das wissen?«
    Â»Ich hab ihre Augen gesehen in jener Nacht. Ich hab dir gesagt …«
    Â»Es war dunkel und du warst im Halbschlaf«, sagte ich. »Sie hat dir Angst gemacht, als sie auf diese Art erschienen ist. Sie hat dir aber nichts getan, oder? Und mir hat sie auch nie was getan. Sie kommt nur zu Besuch, so als ob sie was über mein Leben erfahren wollte. Warum auch nicht, schließlich ist sie meine Schwester.«
    Â»Bisher hast du dich immer vor ihr gefürchtet«, sagte Helen.
    Â»Das war vorher.« Vor der Geburt schwammen wir miteinander im selben Ozean. Damals hatte ich den Sinn dieser Worte nicht verstanden, jetzt tat ich es. Wir sind zwei Seiten derselben Münze . Plötzlich überkam mich ein schreckliches Gefühl von Verlust. »Ich will auch mehr über sie erfahren. Irgendwie muss doch rauszukriegen sein, wo sie wohnt. Meinst du nicht, dass die Adoptionsagentur die Unterlagen aufbewahrt hat?«
    Â»Wahrscheinlich«, sagte Helen. »Aber ich glaube nicht, dass sie die herausgeben. Abgesehen davon weißt du doch gar nicht, welche Agentur die Adoption vermittelt hat.«
    Â»Aber meine Eltern wissen es.«
    Â»Die kannst du nicht fragen«, sagte Helen. »Du weißt doch, dass sie es dir nicht sagen würden. Deine Mutter ist ja schon bei dem Gedanken ausgeflippt, dass du deine anderen Eltern aufspüren wollen könntest.«
    Â»Ich muss sie nicht fragen«, sagte ich. »Ich weiß, wo ich das finde, was ich brauche.«
    Die entsprechenden Informationen lagen in dem Stahlschrank im Büro meines Vaters. Schwer zu finden waren sie nicht. Und da Dad mich schon beschuldigt hatte, in den Akten gestöbert zu haben, hatte ich keine besonderen Schuldgefühle, als ich es dann auch wirklich tat. Ganz früh am Samstagmorgen, als Dad noch schlief und Mom und Neal oben saßen und malten, ging ich in sein

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