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Komm zu mir, Schwester!

Komm zu mir, Schwester!

Titel: Komm zu mir, Schwester! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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bist wie dein Bruder und deine Schwester? Du bist hierhergekommen. Nur das ist wichtig.«
    Â»Wenn du das wirklich so empfinden würdest, hättest du die Wahrheit nicht vor mir versteckt«, sagte ich kühl. »Und jetzt will ich etwas über meinen Zwilling wissen.«
    Â»Was gibt es da zu wissen, abgesehen davon, dass du einen hattest?«, sagte Dad. »Dein Vater hat deine Mutter offenbar irgendwann während der Schwangerschaft verlassen. Sie hat zwei Babys zur Welt gebracht, und ihr war klar, dass sie nicht in der Lage sein würde, beide allein aufzuziehen. Aus Liebe zu dir hat sie beschlossen, dass du ein besseres Leben haben solltest, als sie dir ermöglichen konnte.«
    Â»Habt ihr sie gesehen?«, fragte ich. »Ich meine, habt ihr das andere Baby gesehen?«
    Â»Natürlich. Ihr lagt zusammen in einem Körbchen bei der Agentur.«
    Â»Hat sie genauso ausgesehen wie ich?«
    Â»Ihr wart eineiige Zwillinge.«
    Â»Warum habt ihr dann …« Die Frage lag mir schon auf der Zunge, bevor ich überhaupt wusste, dass ich sie stellen würde. »Warum habt ihr mich genommen und nicht sie?«
    Â»Zwei Kinder konnten wir uns nicht leisten«, sagte Dad. »Es war schon ein Risiko, in dieser Phase unseres Lebens, überhaupt für ein Kind die Verantwortung zu übernehmen.«
    Â»Das war nicht meine Frage«, sagte ich. »Ich wollte wissen, warum ihr mich genommen habt und nicht meine Schwester.«
    Einen Augenblick herrschte Stille, meine Eltern wechselten Blicke.
    Dann sagte Dad langsam: »Deine Mutter … deine Mutter, nun ja, sie dachte …«
    Â»Ich wollte sie nicht«, sagte Mom. Ihre sonst so sanfte Stimme hatte eine merkwürdige Schärfe. »Ich wollte sie einfach nicht haben. Ich wollte dich.«
    Â»Aber wenn wir genau gleich ausgesehen haben …«
    Â»Ihr wart nicht gleich«, sagte Mom. »Ihr habt nur gleich ausgesehen, beide hattet ihr diese großen, ernsten Augen und so volles dunkles Haar. Die Leute von der Agentur wollten, dass wir euch beide nehmen, und trotz allem, was Dad gesagt hat, ich glaube wirklich, wir hätten es auch getan. Es kam uns so verkehrt vor, Zwillinge zu trennen. Ich nahm dich hoch und drückte dich an mich, und ich wusste, dass ich dich niemals wieder loslassen wollte. Es war, als ob du für uns bestimmt warst. Dann gab ich dich an Dad weiter, damit er dich halten konnte, und nahm das andere Baby hoch und … und …«
    Â»Und was?«
    Â»Ich wollte sie gleich wieder hinlegen.«
    Â»Warum denn?«, fragte ich.
    Â»Dein Dad hat mich das auch immer gefragt. Damals konnte ich es ihm ebenso wenig erklären wie dir jetzt. Es war so ein Instinkt. Sie fühlte sich fremd an in meinen Armen. Ich wusste, dass ich sie nicht lieben konnte.«
    Â»Einfach so? Ohne irgendeinen Grund?«
    Â»Sie hatte irgendwas Seltsames an sich. Ich kann nicht sagen, was es war. Ich weiß, das ergibt keinen Sinn. Ich hab Babys nicht von Natur aus gern. Es gibt Frauen, bei denen das so ist, du weißt schon, Frauen, die ganz wild auf alle Babys sind, nur weil sie so klein und süß sind. Aber ich hab die Menschen in meinem Leben immer bewusst ausgewählt, das gilt für Babys wie für Erwachsene. Als ich mit Neal schwanger war, habe ich mich sogar immer gefragt, was ich wohl für ihn empfinden würde, wenn er erst mal geboren war, und ob ich ihn überhaupt so lieben könnte wie dich. Dich habe ich ausgewählt. Er war etwas Unbekanntes.« Sie lächelte ein wenig. »Natürlich war das eine absurde Sorge. Neal und Megan waren für uns bestimmt, genau wie du.«
    Â»Wie konntest du denn später schwanger werden, wenn deine Eierstöcke nicht richtig funktionierten?«, fragte ich sie beinahe vorwurfsvoll.
    Â»Das wissen wir nicht«, antwortete Dad für sie. »Die Ärzte konnten uns dafür keine Erklärung geben. Vielleicht hatten sie einen Fehler bei der Diagnose gemacht oder vielleicht hatte es im Körper deiner Mutter hormonelle Veränderungen gegeben. Wer weiß? Und ist es denn wichtig? Wir sind hier, wir sind eine Familie. Und jetzt, wo du weißt, wo du herkommst, brauchst du dir keine weiteren Gedanken darum zu machen. Können wir diese Sache nicht einfach abhaken und ganz normal weiterleben?«
    Â»So einfach ist das nicht«, sagte ich. »Ich will meinen Zwilling finden.«
    Â»Genau das hatte ich immer befürchtet«, rief

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