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Komm zu mir, Schwester!

Komm zu mir, Schwester!

Titel: Komm zu mir, Schwester! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Duncan
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irgendwo in dieser Gegend gewohnt hat.«
    Â»Dann hast du doch einen Anhaltspunkt.« Jeff klang ganz aufgeregt.
    Â»Anhaltspunkt? Was meinst du damit?«
    Â»Wenn Lia dich hier auf Brighton Island finden konnte, was hält dich dann davon ab, sie in New Mexico aufzuspüren? Du bist doch klar im Vorteil. Du hast zumindest eine ziemlich klare Vorstellung davon, in welchem Teil des Landes sie sich aufhält. Als sie anfing, nach dir zu suchen, hatte sie nichts in der Hand. Deine Eltern lebten in New York zu der Zeit, als sie dich adoptiert haben.«
    Â»Das kann ich nicht«, sagte ich.
    Â»Warum nicht? Du hast es jetzt doch schon ein Mal gemacht. Und nach dieser Erfahrung müsste das zweite Mal doch einfacher sein!«
    Â»Wenn ich es schaffen würde, meinen Körper zu verlassen, wüsste ich noch immer nicht, wie ich an mein Ziel kommen sollte.«
    Â»Das könntest du doch aber lernen, oder? Lia hat es gelernt.«
    Â»Und wenn sie mich nicht lässt?«
    Â»Wie kann sie dich dran hindern?«
    Â»Keine Ahnung«, sagte ich. »Das ist es ja, ich weiß gar nichts. Helen wollte nicht, dass ich es ausprobiere. Schon die Vorstellung allein hat ihr Angst gemacht. Sie hielt es für zu gefährlich.«
    Â»Aber du hast es getan«, sagte Jeff. »Und nichts Schreckliches ist passiert. Tatsache ist, wir würden beide nicht mehr leben, wenn du nicht Hilfe geholt hättest. Das Gefährliche für dich wäre, wenn du nicht lernen könntest, wie du die Kontrolle über diese … diese Gabe – oder wie du das nun nennen willst – bekommst. Wenn es dir nämlich nicht gelingt, bist du Lia auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Und wenn man sich die Sache ansieht, die sie letzte Woche abgezogen hat, würde ich sagen, das bedeutet nichts Gutes.«
    Â»Ich verstehe überhaupt nicht, warum sie mich hasst«, sagte ich hilflos. »Wir sind zwei Seiten einer Münze …«
    Â»Die dunkle und die helle Seite.«
    Â»Bei Münzen gibt es so was nicht.«
    Â»Aber bei Menschen.«
    Wir saßen beide still da und überlegten, was das bedeutete.
    Dann lachte Jeff kurz auf. »Ja, ich weiß, was du denkst. Ich hab sie beide. Stimmt’s? Ein Gesicht, das in der Mitte geteilt ist. Hinter welcher Seite ist Lia her? Hinter der guten oder der schlechten?«
    Â»Ich hasse es, wenn du so redest«, sagte ich. »Und ich hasse es, wenn du so denkst. Es spielt keine Rolle. Das hab ich dir bereits gesagt. Es ist nicht wichtig, Jeff.«
    Â»Das hast du nur gesagt, weil du dachtest, wir würden sterben.«
    Â»Und hast du gesagt, du liebst mich, weil du dachtest, wir würden sterben?«
    Â»Ja. Vermutlich war das so. Aber ich kann mich gar nicht daran erinnern, so was gesagt zu haben.«
    Â»Hast du aber.«
    Â»Ich hatte einen Schock, klar? Ich hab fantasiert. Da kann ich jede Menge verrücktes Zeug geredet haben, aber das hat gar nichts zu bedeuten.«
    Â»Du hast gesagt, du liebst mich«, sagte ich.
    Â»Da hast du dich wohl verhört. Einer, der so ein Gesicht hat wie ich, läuft nicht rum und sagt so was. Welches Mädchen würde das denn hören wollen? Die muss ja total bescheuert sein.«
    Â»Es gibt ja immer wieder Bescheuerte.«
    Â»Wen denn zum Beispiel?«
    Â»Ach, hör doch auf, Jeff Rankin.« Plötzlich war ich so wütend und frustriert, dass ich Lust hatte, ihm eins zu verpassen. »Du hast gesagt, was du gesagt hast. Und du hast es so gemeint. Und nun mach doch, was du willst. Ich wünschte, ich wäre gar nicht hergekommen.«
    Ich war schon an der Tür, als er rief: »Laurie?«
    Â»Was?«, sagte ich, ohne mich umzudrehen.
    Â»Komm doch noch mal zurück.«
    Ich hatte eben eine Vollbremsung gemacht und nun drehte ich mich ganz langsam um. Ich starrte dieses Gesicht an, dieses Cartoon-Gesicht, das genau so war, wie er es beschrieben hatte. Es war traurig und es war schrecklich, und es war tapfer und es war schön – und ich liebte es.
    Â»Was ist?«, fragte ich.
    Â»Ich hab gelogen«, sagte Jeff leise. »Ich erinnere mich doch. Ich erinnere mich an alles.«
    Â»Und?«
    Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Quäl mich nicht, Laurie. Okay?«
    Â»Okay«, sagte ich. So einfach war das.
    Ich ging zu ihm und schlang die Arme um ihn, und er zog mich auf seinen Schoß, auf diesen üblen Gips. Es war, als würde ich auf einem Baumstamm sitzen. Und dann

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