Komm zurueck, Como
selten vor. Hier aufzukreuzen, wenn Sally wie an diesem Tag Unterricht hat, kam zum ersten Mal vor. Auf dem Flur in der Nähe des Lehrerzimmers begegnete mir Shama, eine ihrer Kolleginnen.
» Was ist los, Steven? Stimmt was nicht?«, fragte sie mich.
Ich hätte nicht gedacht, dass ich so gestresst aussah, doch ich nehme an, die Mühen meiner Verfolgungsjagd hatten Spuren hinterlassen. Ich versuchte die Sache herunterzuspielen. » Nichts, ehrlich«, wehrte ich ab. » Ist Sally hier irgendwo?«
Shamas Radar schien sich einzuschalten. » Sie hat Unterricht. Soll ich sie holen? Ist was mit Phoebe?«
» Nein«, sagte ich, » nichts in der Art. Ich warte einfach.« Ich täuschte Interesse an einem Aushang über Staatsbürgerschaft vor. Shama schien sich nicht sicher zu sein, wandte sich aber ab und ging nach oben. Kaum war die Schulstunde zu Ende, erschien Sally unten am Haupteingang. Shama musste mich verpetzt haben.
» Ich erzähle es dir draußen.« Ich wollte meine Geschichte nicht in Anwesenheit dieser unzähligen Menschen zum Besten geben. Sally schwieg während meines Berichts von der Flucht, der Jagd und der Wiederergreifung. Ich erzählte auch von dem langen Wettlauf die Eleventh Avenue entlang und von dem Samariter und dem Energieriegel.
» Du hattest ein großes Glück.« Sally drückte meine Hand. » Er hätte überfahren werden können.«
Ich nickte. » Oder weglaufen und dann überfahren werden können«, gab ich zu bedenken. » Das werden wir nie in Erfahrung bringen. Vielleicht hätte man ihn auch über den Computerchip aufspüren können.« Ich stellte mir Spitznase im Tierheim vor, die erfuhr, dass Como– für sie immer noch Gandalf– irgendwo in weiß der Henker welchem Zustand gefunden worden war. Ich sah ihr Gesicht vor mir, ihre gekräuselte Augenbraue und das wehmütige Stirnrunzeln und versuchte, dieses Bild wieder aus meinem Kopf zu vertreiben.
» Und wo ist er jetzt?«, wollte Sally wissen. Als ich ihr erzählte, ich hätte Como in unser Schlafzimmer gesperrt, blickte sie mich beunruhigt an. » Warum ins Schlafzimmer?«
» Wohin sonst hätte ich ihn sperren sollen? Wir müssen ihn von der Haustür fernhalten.«
Darauf erwiderte sie nichts, doch ich sah ihr an, dass sie mit dieser Tatsache nicht gut umgehen konnte. Allerdings musste Sally geahnt haben, dass ich nicht in der Laune war, mich im Nachhinein kritisieren zu lassen. » Ich hole meine Sachen«, sagte sie nur. » Dann fahren wir nach Hause.«
Ich bog in die Einfahrt ab, während sie mit ihrem Auto am Straßenrand vor dem Haus parkte. Ich betrat das Haus als Erster. Papier lag auf dem Flur verteilt. Als ich das Chaos sah, ging bei mir die Alarmglocke los. » Er ist wieder draußen«, rief ich, ohne mich daran zu erinnern, dass ich Como im Schlafzimmer eingeschlossen hatte, und knallte Sally beinahe die Tür vor der Nase zu.
» Um Himmels willen«, stöhnte sie und bückte sich, um die Post aufzuheben, die der Briefträger in der Zwischenzeit durch den Schlitz geschoben hatte. » Du drehst echt schon durch.«
» Du hast ihm ja nicht durch die halbe Stadt hinterherjagen müssen«, wehrte ich mich. » Das war kein Zuckerschlecken. Was für mich dabei?« Eine Weile blieben wir im Flur stehen und blätterten Rechnungen, Kataloge und Werbezettel von Anstreichern und chinesischen Restaurants durch. Keiner von uns beiden war besonders scharf darauf, nach oben zu Como zu gehen. Als wir es schließlich in Angriff nahmen, drückte Sally sachte die Tür auf und rief seinen Namen. Der Hund lag neben ihrem Nachttisch auf dem Bauch. Sein Schwanz klopfte ein paar Mal auf den Boden, als er ihre Stimme hörte. Sie ging auf ihn zu, blieb aber wieder stehen.
» Oh«, sagte sie sanft, als wollte sie ihn nicht einschüchtern. » Na, sieh mal einer an.«
Gleich hinter der Tür sah der Teppich aus, als wäre ein großer Teil bis zur Gummierung und an manchen Stellen bis zum nackten Boden durchgebrannt. Holzspäne und weiße Farbflocken lagen am Tatort verstreut herum. Sally schloss die Tür wieder, um sich den Schaden genauer anzusehen. Como hatte versucht, einen Tunnel unter der Tür hindurchzugraben, und dabei den Teppich und die Tür mit seinen Krallen und vermutlich auch seinen Zähnen bearbeitet. Diese Zerstörungswut war einschüchternd. Mit ein bisschen mehr Zeit hätte er sein Ziel erreicht. Er würde sich nicht einsperren lassen. Selbst in einer riesigen Villa in Pacific Heights oder in einem Tresorraum im Finanzviertel hätte Como die
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