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Komm zurueck, Como

Titel: Komm zurueck, Como Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Winn
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schnappte ich mir aus Faulheit, weil ich nicht noch einmal gehen wollte, auch die Kleider. Was ein schneller Weg die Treppe hinauf hätte werden können, wurde zu einem unbeholfenen Stolpern. Ein leichter Wind zerrte an den Plastikhüllen, und die Bügel drückten sich in meine Hand. Ich versuchte zu vermeiden, dass die sauberen Hosen auf meinem Weg die Treppe hinauf den Boden berührten, und ließ dabei beinahe die Schlüssel fallen. » Verdammt«, murmelte ich, darauf konzentriert, die Haustür aufzuschließen und meine Sachen hineinzuschaffen. Dabei vergaß ich allerdings, was mich auf der anderen Seite erwarten könnte– ein Hund, der seine raffinierten Fluchtkünste auf Weltklasseniveau bereits unter Beweis gestellt hatte.
    Mit den Schlüsseln und den anderen Sachen jonglierend, drehte ich den Türknauf und öffnete die Tür einen Spaltbreit. Genau in dem Moment stürmte Como nach draußen. Der winzige Türspalt war alles, was er brauchte, um sich hindurchzuzwängen. Er musste gleich hinter der Tür gelauert haben, als er hörte, wie ich in die Einfahrt gefahren war. Und dann– wer weiß? Hatten ihn die in Zellophan gehüllten Hemden und Hosen zum Äußersten getrieben? Ein Mann war schon erschreckend. Ein grotesker zweiter, wenn Como die Kleider in meiner Hand als solchen gesehen hatte, war für ihn unerträglich gewesen.
    Es wird oft behauptet, dass sich ein physikalisches Unglück– Zusammenstöße, Stürze oder wenn einem eine teure, voll beladene Servier-Platte an Heiligabend vor versammelter Mannschaft aus der Hand rutscht– wie in Zeitlupe ereignet. Und manchmal stimmt das. Jede Millisekunde wird zu scheinbarer Unendlichkeit ausgedehnt, wenn man hilflos die Folgen eines Fehlers in bedächtiger, unvermeidbarer, qualvoller Abfolge beobachtet. Und manchmal geschieht es auch andersherum, wenn sich ein Ereignis in altmodischer Stummfilmmanier vor einem abspult. Albtraumartig wird man mitten in eine hektische Jagdszene geworfen, bevor man merkt, dass man im Film ist. Dieses Gefühl hatte ich, als Como das Weite suchte.
    Ich verfluchte mich und ihn in einem einzigen Atemzug, stellte die Einkaufstasche ab, ließ die sauberen Kleider auf den Boden fallen und wirbelte herum, um zu sehen, wie weit Como es bereits geschafft hatte. Einen kurzen Moment lang erstarrten wir beide. Ein überraschter Blick blitzte zwischen uns auf: Keiner von uns konnte glauben, dass er so leicht hatte entwischen können und sich jetzt draußen vor dem Haus ohne Leine befand. Wir beschlossen, es auf das perfekte Zusammenspiel seiner Geschicklichkeit und meiner Sorglosigkeit zu schieben. Und dann war er weg, rannte überraschend zielsicheren Schrittes auf der Lawton Street Richtung Westen.
    Vorsichtig eilte ich die Stufen hinunter, darauf bedacht, so leise und zurückhaltend wie möglich zu sein, um Como nicht noch mehr zu erschrecken. Ich fühlte mich wie ein Elch in Spitzenschuhen. Der Flüchtige überquerte die Tenth Avenue und trabte weiter. Ich stürmte hinterher, doch der Abstand vergrößerte sich mit jedem Schritt. Como schien zu wissen, wohin er ging, nämlich schnurstracks auf die Eleventh Avenue zu, wo er über der Lawton Street scharf nach links abbog und den Hügel hinaufrannte. Als ich ihn aus den Augen verlor, erlitt ich eine Panikattacke.
    Er war weg. Ganz sicher. Einen fliehenden Terrier konnte ich nicht einholen, vor allem keinen, den ich nicht sah. Ich hatte alles vermasselt, das Glück meiner Tochter zerstört und meine Frau und mich und die Gemeinschaft der Hundebesitzer im Allgemeinen enttäuscht. Meine unterbewussten Wünsche waren wahr geworden. Ich hatte den Hund loswerden wollen, und jetzt war es passiert. Phoebe würde durch mich hindurch bis auf meine kleine, schwarze Seele blicken können. Sally würde als nicht angeklagte Mitverschwörerin nichts sagen, doch unser Schweigen würde so vielsagend sein wie ein Geständnis im Gerichtssaal.
    Mit diesen Gedanken im Kopf spurtete ich über die Lawton Street und den Hügel hinauf, wo der Hund verschwunden war. Doch zum Glück erblickte ich Como, als ich um die Ecke bog. Pech war nur, dass er mir fast einen Straßenblock voraus war. Sein dicker Schwanz war auf die Größe eines Wattestäbchens geschrumpft. Die Chancen standen schlecht. Bis Como etwas tat, was für mich einen Hoffnungsschimmer bedeutete: Er blickte nach hinten, um zu sehen, wo ich war. Und das war nicht nur einfach ein kurzer Blick. Er blickte so lange nach hinten, bis er beinahe gegen ein

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