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Komm zurueck, Como

Titel: Komm zurueck, Como Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Winn
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dickste Tür oder eine mit Stahl verstärkte Wand in Angriff genommen, um sich zu befreien. Sally und ich begutachteten den Schaden in respektvollem Schweigen.
    » Armes Ding«, sagte sie schließlich und ging in die Hocke, um den leidenden Randalierer zu sich zu locken. Como schlich einige Schritte auf sie zu und wartete, damit sie näher kommen konnte. Verwirrt beobachtete ich ihre Besprechung in der Mitte des Zimmers. Sally vertraute Como leise einiges an, dass ich mir nicht einmal vorstellen konnte, dass er sie hörte. Doch ich wusste auch, dass ich meinem Urteilsvermögen und wahrscheinlich auch meinen Sinnen im Moment nicht trauen konnte.
    Alles, was an diesem Vormittag draußen auf der Straße und jetzt passiert war, hatte mich ausgelaugt. Zwischen Como und mir war Krieg mit allem Drum und Dran ausgebrochen– den er mit links gewann. Ich hätte die Sache noch ernster nehmen sollen, weil Sally sich mit dem Feind verbündete, zärtlich dessen Hals streichelte und ihm etwas zugurrte.
    Doch als sich Como auf den Rücken drehte, um sich den Bauch kraulen zu lassen, und er seine vier Pfoten wie weiße Flaggen in der Luft hängen ließ, begriff ich, jetzt, da ich aufgehört hatte zu denken, was Sally längst erkannt hatte: Como hatte Angst. Er lebte in einer völlig neuen Umgebung mit neuen Menschen, Gerüchen, Teppichen und Türen, von denen sich einige hinter ihm schlossen und bei ihm die Angst auslösten, in eine Falle geraten zu sein. Sein Überlebenstrieb löste Mechanismen in ihm aus, die in ihm verankert worden waren, noch lange bevor wir ihn kennengelernt hatten.
    Ich dachte darüber nach, wie er auf den Straßen des Santa Clara County gelebt hatte und wie es dazu gekommen sein könnte. War der Besitzer seiner Mutter nicht in der Lage gewesen, den Wurf aus Welpen zu versorgen? Waren er und seine Brüder und Schwestern weggegeben und in ihrem neuen Zuhause vernachlässigt worden? Wurde er als Welpe ausgesetzt, um sich allein durchs Leben zu schlagen? Oder war er in der Wildnis von Sunnyvale oder Cupertino geboren worden und hatte sich seine groben Manieren in Regenstürmen, in vorstädtischen Sackgassen und auf mit Müll übersäten Picknickwiesen angeeignet?
    Er war, soweit wir wussten, in zwei verschiedenen Tierheimen gewesen und mindestens ein Mal adoptiert und wieder zurückgegeben worden, und zwar von einer älteren Frau, die mit seinen vulkanartigen Ausbrüchen nicht zurechtgekommen war. Es ließ sich nicht rekonstruieren oder auch nur vorstellen, was ihm an jenem oder einem anderen Ort, an dem er gelebt hatte, zugestoßen sein könnte. Vor allem konnten wir nicht wissen, was ein oder mehrere Männer ihm im Lauf seines Lebens angetan hatten, welche Kälte oder körperliche Gewalt er hatte aushalten müssen. Dies war der Knackpunkt in der ganzen Geschichte, der irgendwo tief in seinem Innern verborgen lag. Wie sollten wir– oder wie sollte ich– dieses Problem jemals lösen?
    Wahrscheinlich waren wir die Sache völlig falsch angegangen, indem wir ihn nach Hause geholt und in einen engen Plastikkasten gesperrt hatten, in dem er sich kaum umdrehen konnte. Dann hatte ich mich mit meiner Reise nach Florida vier Tage vor ihm gedrückt, nur um zurückzukommen und ihn abhauen zu lassen, ihn wie einen Fuchs zu jagen und in einer gemauerten Einfahrt mit noch einem anderen fremden Mann, der die Drecksarbeit übernommen hatte, in die Enge zu treiben. Als Belohnung hatte ich ihn wieder zurück in ein, wenn auch geräumigeres, Gefängnis geworfen und war so schnell, wie ich konnte, abgehauen. Kein Wunder, dass er das Zimmer auf den Kopf gestellt hatte. Konnte ich ihm dafür die Schuld geben?
    Sally schaukelte mit Como auf dem Boden vor und zurück und kitzelte und knetete ihn wie einen Kuchenteig. » Du bist mir doch ein Spinner«, neckte sie ihn. » Was sollen wir bloß mit dir machen?« Sie drehte den Hund auf den Bauch und kraulte den leicht karamellfarbenen Fellstreifen, der entlang seiner Wirbelsäule verlief. Plötzlich hielt sie inne. » Hey. Komm und schau dir das mal an.«
    Sally teilte das Fell und zeigte mir eine haarlose Stelle in der Größe einer Münze. Normalerweise wurde die graue Haut vom struppigen Fell verdeckt, sah aber empfindlich und wund aus, wenn sie freigelegt wurde.
    » Was ist das deiner Meinung nach?«, fragte ich.
    Sally kämmte Comos Haar eifrig gegen den Strich, um zu sehen, ob sie noch weitere solcher Stellen fand. » Vielleicht eine Entzündung«, murmelte sie. » Etwas, das nicht

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