Komm zurück, mein dunkler Bruder
erwiderte er und biss ein großes Stück ab. »Mein Volk wird nicht hungern.«
»Nein, aber ich.«
Er schenkte mir sein grauenhaft künstliches Lächeln, das stets so wirkte, als hätte er es einem Regierungshandbuch für Gesichtsausdrücke entnommen. »Das Gesetz des Dschungels ist hart, Grashüpfer.«
»Ja, ich weiß. Als Erstes muss man lernen zu denken wie ein Doughnut.«
»Ha«, sagte Vince. Sein Lachen war noch künstlicher als sein Lächeln, es klang, als läse er die phonetische Wiedergabe eines Lachens ab. »Ah, ha, ha, ha!«, machte er. Der arme Kerl schien alle menschlichen Verhaltensweisen nur nachzuahmen, ebenso wie ich. Aber er beherrschte es nicht so gut. Kein Wunder, dass ich mich in seiner Gesellschaft so wohl fühlte. Deshalb, und weil er sehr häufig daran dachte, Doughnuts mitzubringen.
»Du brauchst eine bessere Tarnung«, sagte er mit einem Blick auf mein Hemd, ein leuchtend grün-rosa HawaiiHemd, komplett mit Hula-Tänzerinnen und allem Drum und Dran. »Oder einen besseren Geschmack.«
»Es war runtergesetzt«, sagte ich.
»Ha«, wiederholte er. »Nun, schon bald wird Rita deine Kleidung aussuchen.« Und dann ließ er abrupt die Maske seiner schrecklich künstlichen Heiterkeit fallen und sagte: »Hör mal, ich glaube, ich habe den perfekten Caterer gefunden.«
»Liefert er auch Doughnuts?«, fragte ich in der aufrichtigen Hoffnung, dass das ganze Thema meines bevorstehenden Eheglücks sich einfach in Luft auflösen würde. Aber ich hatte Vincent gebeten, mein Trauzeuge zu sein, und er nahm diese Aufgabe sehr ernst.
»Der Typ ist ziemlich bekannt«, sagte Vince. »Er hat die MTV -Awards beliefert und diese ganzen Showbiz-Partys und so.«
»Er klingt wunderbar kostspielig.«
»Nun, er schuldet mir einen Gefallen. Ich denke, wir können ihn dazu bringen, mit dem Preis runterzugehen. Vielleicht auf hundertfünfzig Dollar pro Gedeck.«
»Eigentlich hatte ich gehofft, wir könnten uns mehr als ein Gedeck leisten.«
»Er stand im South Beach Magazine.« Vince klang ein bisschen verletzt. »Du solltest wenigstens mal mit ihm reden.«
»Um ehrlich zu sein«, sagte ich, was selbstverständlich hieß, dass ich log, »glaube ich, Rita möchte lieber etwas Einfaches. Wie ein Büfett.«
Jetzt schmollte Vince definitiv. »Red wenigstens mit ihm.«
»Ich werde mit Rita darüber sprechen«, versprach ich, während ich mir wünschte, dass sich die ganze Angelegenheit einfach in Luft auflöste. Und auf der Fahrt zum Tatort verlor Vince kein Wort mehr darüber; vielleicht hatte sich mein Wunsch erfüllt.
Der Tatort stellte sich für mich als wesentlich einfacher heraus, als ich erwartet hatte, und meine Laune hob sich ein wenig. Zum einen befand er sich auf dem Campus der University of Miami, meiner guten alten Alma Mater, und entsprechend meiner lebenslangen Anstrengung, menschlich zu erscheinen, versuchte ich stets daran zu denken, herzliche, vage Zuneigung zu den Örtlichkeiten vorzutäuschen, wenn ich dort war. Zum anderen war offensichtlich nur sehr wenig Blut vorhanden, was bedeuten mochte, dass ich innerhalb einer vernünftigen Zeit fertig werden konnte. Kein ekliges feuchtes Zeug also, denn Blut stößt mich wirklich ab, was seltsam erscheinen mag, aber so ist es. Dennoch befriedigt es mich ungemein, pedantisch an einem Tatort zu arbeiten und das Blut zu zwingen, sich in bestimmte Muster zu fügen und sich zu benehmen. Aus dem zu schließen, was ich auf der Fahrt hierher erfahren hatte, würde das nicht gerade eine Herausforderung werden.
Und so geschah es, dass ich wie üblich frohgemut zum gelben Absperrband der Polizei schlenderte, gewiss, dass mir an diesem harten Arbeitstag ein reizendes Intermezzo bevor …
… und, einen Fuß hinter der Absperrung, plötzlich erstarrte.
Einen Moment lang verwandelte sich die Welt in strahlendes Gelb, und ich hatte das übelkeitserregende Gefühl, schwerelos durchs Weltall zu taumeln. Außer dem messerscharfen blendenden Licht konnte ich nichts erkennen. Von der dunklen Rückbank drang der Klang der Stille, das Gefühl unterschwelliger Übelkeit, gemischt mit der blinden Panik eines über eine Tafel quietschenden Schlachtermessers. Aufregung, Nervosität, die wilde Gewissheit, dass etwas ganz und gar falsch war, und kein Anzeichen, was oder wo es war.
Mein Sehvermögen kehrte zurück, und ich blickte mich um. Ich sah nichts, was an einem Tatort nicht zu erwarten gewesen wäre: ein paar Leute, die sich vor der Absperrung sammelten, einige
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