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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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Respekt zu zeigen, auch wenn man nicht daran glaubte.
    Wie ich schon sagte, ich hätte sofort daran denken müssen. Doch meiner Adoptivschwester, mittlerweile vollwertiger Sergeant der Mordkommission, war es zuerst eingefallen, obwohl eigentlich ich als der Kluge galt.
    Mit Erleichterung hatte ich vernommen, dass der Fall Deborah zugeteilt worden war, weil sich damit die markerschütternde Dummheit auf ein Minimum reduzierte. Außerdem, so hoffte ich, würde sie dadurch etwas Besseres mit ihrer Zeit anzufangen wissen als in den letzten Monaten. Sie hatte sämtliche Tages- und Nachtstunden damit verbracht, um um ihren beschädigten Lebensgefährten Kyle Chutsky herumzuschweben, der vor kurzem ein oder zwei Glieder minderer Bedeutung bei einer Begegnung mit einem freischaffenden, derangierten Chirurgen verloren hatte, der auf die Verwandlung menschlicher Wesen in jodelnde Kartoffeln spezialisiert war – derselbe Schurke, der auf so künstlerische Weise Sergeant Doakes von vielen unnötigen Teilen befreit hatte. Ihm war nicht genug Zeit geblieben, Kyle zu vollenden, aber Debs hatte die ganze Angelegenheit persönlich genommen und sich – nach der Erschießung des guten Doktors – der Aufgabe geweiht, Chutsky zu pflegen, bis er seine kraftvolle Männlichkeit wiedererlangte.
    Ich bin sicher, dass ihr das zahllose Punkte auf der ethischen Anzeigetafel eintrug, gleichgültig, wer darüber wacht, aber ehrlich gesagt hatte ihr diese Auszeit im Department eher geschadet. Und, schlimmer noch, der arme einsame Dexter hatte die ungebetene Vernachlässigung durch seine einzige lebende Verwandte schmerzlich gespürt.
    Deshalb war es eine rundherum gute Nachricht, dass Deborah diesen Fall übernahm. Auf der anderen Seite des Wegs sprach sie soeben mit ihrem Chef, Captain Matthews, lieferte ihm zweifellos ein wenig Munition für seinen andauernden Krieg gegen die Medien, die sich einfach weigerten, ihn von seiner Schokoladenseite zu fotografieren.
    Tatsächlich rollten die Medientransporter bereits heran und spuckten ihre Mannschaften aus, die Hintergrundaufnahmen machten. Zwei der örtlichen Bluthunde standen dort, umklammerten feierlich ihre Mikrofone und intonierten trauervolle Sätze über die Tragödie zweier Leben, die so brutal ausgelöscht worden waren. Wie immer war ich von ehrfürchtiger Dankbarkeit erfüllt, in einer freien Gesellschaft zu leben, in der die Medien das geheiligte Recht besaßen, Bilder toter Menschen in den Abendnachrichten zu zeigen.
    Captain Matthews strich sich mit der Hand über seine ohnehin makellose Frisur, klopfte Deborah auf die Schulter und marschierte hinüber, um mit den Medienvertretern zu reden. Und ich marschierte zu meiner Schwester.
    Sie stand noch dort, wo Matthews sie verlassen hatte, und betrachtete ihn von hinten, während er mit Rick Sangre sprach, einem der wahren Gurus des »Blut-und-Tote-bringen-Quote«-Journalismus. »Nun, Schwester«, sagte ich. »Willkommen zurück in der wirklichen Welt.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Hipp, hipp, hurra«, sagte sie.
    »Wie geht’s Kyle?«, erkundigte ich mich. Meine jahrelange Ausbildung gebot mir, diese Frage zu stellen.
    »Körperlich? Gut. Aber er fühlt sich vollkommen
nutzlos
. Und diese Arschlöcher in Washington lassen ihn nicht wieder an seine Arbeit.«
    Für mich war es schwierig, zu beurteilen, ob Chutsky in der Lage war, wieder zu arbeiten, zumal mir niemand jemals verraten hatte, was genau er eigentlich tat. Ich wusste, dass es vage etwas mit Regierungsangelegenheiten zu tun hatte und außerdem ziemlich geheim war, aber abgesehen davon wusste ich nichts. »Nun«, sagte ich, nach dem angemessenen Klischee suchend, »ich bin sicher, dass es nur eine Frage der Zeit ist.«
    »Ja, klar.« Deborah sah zu der Stelle, an der die beiden verkohlten Leichen lagen. »Auf jeden Fall ist dies eine großartige Methode, um mich abzulenken.«
    »Die Gerüchteküche meldet, dass du glaubst, es hätte etwas mit der Santería zu tun«, sagte ich. Ihr Kopf schnellte herum, und sie sah mir ins Gesicht.
    »Du glaubst das
nicht?
«, herrschte sie mich an.
    »O nein, gut möglich.«
    »Aber?«, fragte sie schneidend.
    »Kein Aber.«
    »Verdammt, Dexter. Was weißt du darüber?« Und diese Frage war vermutlich berechtigt. Ich war dafür bekannt, dass meine Eingebungen hinsichtlich besonders abscheulicher Morde, die wir bearbeiteten, häufig zutrafen. Ich hatte durchaus ein gewisses Ansehen erlangt dank meiner Fähigkeit, die Art, wie verdrehte

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