Komm
sich zu arrangieren.
Praktisch zu sein.
Auch du, Petra Vinter!
Genau wie alle anderen, sagst du.
Ich kann nicht!
Er geht wieder an die Haustür und öffnet sie.
XL
D er Schnee hat ihre Spur vollständig getilgt. Die Oberfläche liegt blank und gleichmäßig da. Als ob Petra Vinter hier nie gegangen wäre. Und ist sie es? Plötzlich zweifelt er. Trotzdem ist es, als wollten seine Füße genau wissen, wo sie auftreten sollen, als lägen die Spuren unter der Schneeoberfläche und warteten auf ihn. Wenn er folgen wollte …
In Petra Vinters Fußspuren zu treten heißt, in seine eigenen zu treten.
Und was bedeutet das denn nun?
So ein Unsinn.
Idiot.
?
Das Feuer ist fast ganz niedergebrannt. Nur silberrote Lichtfäden winden sich noch im Schwarz.
»Ich hatte die Autotür gepackt«, flüstert Petra Vinter. »Habe den Schlüssel ins Schloss gesteckt und die Tür aufgemacht, als …«
In der Bar klingelte das Telefon. Der Barmann kam zu ihm.
»Telefon für Sie. Es ist wichtig.«
Als er zurückkam, war das Feuer erloschen, und Petra Vinter und der Autor standen auf.
»Ich verspreche, nichts von dem zu schreiben, was Sie erzählt haben«, sagt der Autor wie eine Wiederholung des Versprechens, das er zu Beginn des Gesprächs gegeben hatte.
Was ist wahr und was nicht?
Wurde Petra Vinter vergewaltigt oder nur überfallen?
Erkannte sie einen oder vier von ihnen?
Ist sie krank, oder ist sie nicht krank?
Und wenn nun nichts davon wahr ist, was dann?
Würde das für ihn etwas ändern?
Für seine Wahl?
Was ist sein Quadrat?
Du kamst nicht zu mir, weil ich ein Niemand war.
Hat Lula gesagt.
Du trittst nicht in meine Fußspuren, weil ich dich nicht zu einem Jemand machen kann.
Sagt Petra Vinter.
So braucht es nicht zu sein.
»Du hast die Wahl.«
Der Schnee liegt dicht und hoch.
Nur noch vereinzelt schweben die Flocken vom Himmel. Es sieht aus, als wollte es bald aufhören zu schneien und als wollte der Tag aus dem dichten Grau hervorbrechen. Lange steht er da und betrachtet den tiefen Schnee. Aus irgendeinem Grund erinnert ihn die weiße Oberfläche an die Zimmerdecke, von der Petra Vinter erzählt hatte.
Der Mangel an Rissen, um sich festzuhalten.
In jeder menschlichen Handlung liegt der Keim zu den Handlungen vieler.
Wie konnte er bloß nicht wissen, was der Satz bedeutet?
Idiot!
Er lächelt, nickt sich selbst zu. Steckt den Schlüssel in die Tür und schließt auf. Beeilt sich ins Warme zu kommen und macht die Tür zu. Geht dann ruhig in sein Büro, setzt sich an den Schreibtisch und schreibt einen Brief. Druckt ihn aus, liest ihn durch und unterzeichnet. Legt den Brief mit dem Manuskript in den Korb für die Sekretärin.
Dann geht er hinaus, macht die Tür wieder auf und wirft sie hinter sich ins Schloss. Geht die drei Stufen hinunter und betritt den unberührten Schnee.
Wie alle anderen.
Hinweise
Die beiden Zitate aus August Strindbergs Das rote Zimmer in Kapitel XIII stehen auf Seite 241 von Emil Scherings Übersetzung bei Georg Müller, München 1919 .
Das Zitat am Ende von Kapitel XVIII aus dem Lied Bortom det blå (»Jenseits des Blaus«) der schwedischen Sängerin Lisa Ekdahl ist hier erstmals ins Deutsche übersetzt; der Übersetzer dankt Klaus-Jürgen Liedtke für die freundlichen Hinweise. © Lisa Ekdahl (Lisa Ekdahl Musik)
Das Zitat aus Thomas Manns Doktor Faustus in Kapitel XXVI steht auf Seite 226 / 227 bei S. Fischer, Frankfurt/M. 1999 .
Über die Autorin
Janne Teller
Janne Teller wurde am 8.4.1964 in Kopenhagen geboren. Ihre Mutter stammt aus Österreich und ihr Großvater väterlicherseits aus Norddeutschland.
Ihre erste Erzählung veröffentlichte sie im Alter von 14 Jahren in der dänischen Zeitung Berlingske Tidende. Mit 30 kündigte sie dann ihren Beruf, mietete eine Ein-Zimmer-Wohnung in Kopenhagen und widmete sich ausschließlich dem Schreiben. Nach vier Jahren erschien 1999 ihr hoch gelobtes Debüt "Odins Insel".
Ein Jahr später erschien "Nichts", das der Verlag zunächst gar nicht publizieren wollte, weil es zu außergewöhnlich war. In den ersten zwei Jahren wurde auch kaum ein Exemplar verkauft. Dann bekam der Roman den Dänischen Kinderbuchpreis 2001 und fand immer mehr Leser, aber es gab auch viel Widerstand, nicht nur in der Presse. Auch Lehrer, Bibliothekare und Priester wollten verhindern, dass Kinder dieses Buch lesen dürfen. Anfangs war es sogar vom dänischen
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