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Komme, was Wolle

Komme, was Wolle

Titel: Komme, was Wolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gil McNeil
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an, als wir uns bei einem Seminar der BBC kennenlernten. Wenn die Kamera auf sie gerichtet war, strahlten beide dieses gewisse Leuchten aus, wie alle geborenen Fernsehmoderatoren. Ganz anders als der Rest von uns, der immer einen leicht glasigen Blick bekam, wenn wir Studioauftritte trainierten. Ich entwickelte sogar ein mysteriöses Stottern und fiel während einer besonders schwierigen Ansage vom Stuhl. Aber ich war ziemlich gut im Produktionsbereich, und zum Schluss des Seminars konnte ich eine Sendung besser schneiden als die beiden zusammen, und wir drei bekamen schließlich von allen Kursteilnehmern die besten Noten. Allerdings scheint das alles jetzt Ewigkeiten her zu sein und kommt mir wie ein völlig anderes Leben vor.
    Ich werkelte immer noch in der Küche herum, räumte auf und überlegte, dass wir wegen des neuen Jobs wohl umziehen müssten und ob es Johannesburg oder Jerusalem oder das eiskalte Moskau sein würde, als Nick fertig war mit Vorlesen und wieder nach unten kam. Und ich wollte ihn gerade fragen, wohin wir ziehen würden, als mir klar wurde, dass er noch mehr Neuigkeiten hatte, und zwar welche, die ihm irgendwie unangenehm waren. Ich weiß noch, dass ich dachte, ›ich wette, es ist das verfluchte Moskau‹, als er anfing, frischen Kaffee zu kochen und sich das Haar zu glätten, als müsste er sich auf eine längere Ansage vor der Kamera vorbereiten, irgendeine äußerst wichtige Nachricht, die alles auf den Kopf stellt. Was, wie sich herausstellte, auch der Fall war, weil die wirklich entscheidende Nachricht war, dass er seit knapp über einem Jahr eine Affäre mit einer für die Vereinten Nationen arbeitenden Französin namens Mimi hatte. Ein ganzes Jahr, in dem er nach Hause gekommen war mit seiner Schmutzwäsche, um Mitternacht Shepherd’s Pie verlangte, Erschöpfung vorschob und dann mit seinem Handy im Garten verschwand. Ein ganzes verdammtes Jahr.
    Er hatte eine längere Rede vorbereitet, dass es hoffentlich zivilisiert ablaufen würde mit der Scheidung, weil es nun mal nicht zu ändern sei, und es ihm sehr leidtue und er nicht gewollt habe, dass es so komme, aber wir bestimmt einen Weg fänden, und dass Mimi Kinder liebe und sich schon darauf freue, die Jungs kennenzulernen. In dem Moment drang es dann zu mir durch, weil ich bis dahin seltsam benommen war, als wäre ich in eine Parallelwelt katapultiert worden, in der, wenn er nur aufhören würde zu reden und der Kaffee fertig war, alles wieder ganz normal und wie immer wäre. Aber plötzlich sah ich vor mir, wie man meine Jungs über Flughäfen zerrte, und mir wurde klar, dass er es ernst meinte; und das war der Augenblick, in dem ich anfing zu schreien.
    Eigentlich ist jemanden anschreien nicht meine größte Stärke, aber dieses Mal wuchs ich über mich selbst hinaus, und er war so verdammt ruhig, als würde er Sätze wiederholen, die er vorm Badezimmerspiegel einstudiert hatte, was er, wie ich ihn kenne, wahrscheinlich auch getan hat. Er behielt seine einfühlsame-aberprofessionelle Miene bei, als führte er ein Interview mit jemandem, dessen Haus gerade mit den meisten seiner Familienangehörigen darin in die Luft geflogen ist, was in gewisser Weise ja auf mich zutraf. Und er blieb so beherrscht und professionell, bis ich den Milchkrug nach ihm warf. Sein Gesichtsausdruck war unbezahlbar, eine Mischung aus Wut und Panik und einem Hauch von Bewunderung. Ich glaube, keiner von uns hätte für möglich gehalten, dass ich je mit Porzellan um mich schmeißen würde. Aber es war es bei Gott wert, auch wenn ich es war, die hinterher auf dem Boden herumkroch und die Scherben aufsammelte. Und dann wurde er wütend und warf mir vor, hysterisch zu sein, und ich konterte, wenn er dies für Hysterie hielte, stünde ihm eine gewaltige Überraschung bevor, und wenn er glaubte, er könnte meine wunderbaren Jungs um die halbe Welt kutschieren, dann hätte er sich schwer geschnitten. Daraufhin stürmte er mit der beleidigten Bemerkung davon, dass ich absolut unvernünftig sei, und schlug die Haustür so heftig zu, dass eins der Bilder im Flur von der Wand fiel. Ich war immer noch beim Scherbenaufsammeln, als Ellen mit voller Studioschminke und einer Flasche Champagner in der Hand auftauchte, um auf den neuen Job anzustoßen.
    Wir saßen am Küchentisch, als der nervöse Polizist eintraf, der ständig am Saum seiner fluoreszierenden Jacke zupfte. Er vermied es, mich anzusehen, und redete stattdessen mit Ellen, während sein Funkgerät knisterte;

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