Kommissar Katzorke: Süße Schrippen (German Edition)
den Schuppen!“
Gerdas matriarchalisches Regiment ließ keinen sexistischen Spielraum.
Auf einen Wink der Wirtin hatte sich sofort ein Typ mit beeindruckendem Bauchumfang von seinem Barhocker erhoben und eilte auf Rainer zu. Der sprang vom Hocker und machte gerade noch rechtzeitig Anstalten zu gehen, um sich keine Backpfeifen zu fangen.
Aus seinen bläulichen Lippen ließ er vor seinem Abgang säuerlich noch ein paar Duftmarken in den Trinksaal ab.
„ Wird immer schicker hier! Kommt der feine Pinkel rein, muss der Rainer gehen. War immer Stammgast. Gerda, Du kannst mich mal!“
Zelebrierte er als großen Auftritt. Nebenbei versetzte er Katzorke noch einen Tritt in die Wade, bevor er vom Dickbäuchigen am Kragen gepackt und zum Ausgang gezerrt wurde.
Solche Programmeinlagen gehörten zum beliebten Repertoire der Wirtin, denn das Thekengericht der „Gießkanne“ tagte mehrmals täglich, um die Volksseele erheiternde Vollstreckungen zu präsentieren. Flüssiges Brot und Spiele, panem et circensis.
Es konnte zufällig jeden treffen, wenn er Liter Gerstensaft intus hatte und daher Dünnes absonderte. So schwebte über der Gemeinde immer drohend die Bratpfanne des Matriarchats, was allgemein eine knisternde Spannung erzeugte.
Die kleine Wirtin stemmte zwei Biergläser mit milchigen Schaumkronen vor Katzorke auf die Theke.
„ Eens uff Kosten des Hauses! Wegen die Unannehmlichkeiten. Bitteschön, der Herr!“
Katzorke selbst hatte dem geistig nichts hinzuzufügen. Er starrte fasziniert auf eine Batterie von Schnapsflaschen im Regal, deren Etiketten er der Reihe nach las. Welch wundersame Silber- und Goldschrift doch auf Schnapsflaschen prangte! Im höchsten Maße kunstfertig, fast sakral!
Das Bier mundete köstlich. Er lauschte seinen inneren Schluckgeräuschen.
„ Einen Futschi!“
Seine Stimme drang so leise über die Theke, dass nicht einmal sein neuer Sitznachbar im karierten Hemd und mit bärtigen Unterarmen sie vernahm. Wo in diesem verdammten Regal stand bloß seine Hausmarke?
„ Dein zweites Bier steht ab, Mann! Willst Du nicht trinken?“
Ein fleischiges Gesicht hatte sich von rechts in seine Etikettenstudien hinein geschoben, versperrte den Ausblick auf den Flaschenbestand. Ein langer Zeigefinger fixierte seine Pupillen und führte sie wie ein Magnet langsam hinab zu der längst mickrigen Schaumkrone auf seinem zweiten Bier.
„ Deins?“
„ Kannste haben!“
Eine fremde Stimme hatte aus Katzorke gesprochen. Er erschrak.
„ Prost!“
„ Prost!“
Zwei Stimmen, eine davon musste seine gewesen sein. Wie auf Befehl trank Katzorke mit. Das Glas des anderen war mit einem Zug leer.
„ Noch eins!“
Katzorke räusperte sich erschrocken, mit geschwollenem Hals.
„ Heiser?“
Das fleischige Gesicht auf dem Muskelhaufen an seiner Seite grimassierte ein freundliches Lächeln. Katzorke dachte ernsthaft über die Konsistenz seines Nachbarn nach.
„ Ich gehe jetzt lieber.“
Da war sie wieder, seine ihm vertraute Stimme! Zwar leise und zaghaft, aber trotzdem munterte sie Katzorke auf. Er war wieder er, die Kneipe erschien ihm gleich im rosigen Licht. Der neben ihm fragte mit feinen Manieren.
„ Machst Du hier Urlaub, Meister? In trockener Höhenluft auf dem Barhocker?“
Zwei wässrig hellblaue Augen mit Nachtschattenringen darunter glotzten ihn teilnahmslos an. Katzorke entdeckte am Kinn des ihm zugewandten Gesichts einen Streifen ausgetrockneten Ketchups. Er war schwer in der Lage, seinen Blick von diesem Streifen zu lösen.
„ Ketchup! Sie haben Ketchup am Kinn!“
Der Mann presste statt einer Antwort seine Lippen und sein Gesicht fest zusammen. Das getrocknete Rot platzte von seinem Kinn und rieselte bröckchenweise auf den Boden. Nie zuvor hatte Katzorke ein dermaßen eindrucksvolles Ketchupspektakel gesehen. Er stöhnte überwältigt.
„ Sauber!“
„ Das will ich hoffen!“
Der Mann zog jubelnd Katzorkes rechte Hand zur Bestellung hoch.
„ Zwei große Flöten!“
Kommissar Katzorke trafen die Worte wie ein Stromschlag. Wieder diese ihm fremde Stimme! Die ähnlich der seinen klang. Wohnte auf einmal ein zweites Wesen in ihm? Er horchte in sich hinein, konnte es jedoch nicht entdecken.
„ Und zweimal Ketchup dabei!“
Fügte sein Nachbar mit tiefem Bass scheinbar schmollend hinzu.
„ Futschi! Bitte einen Futschi!“
Katzorke flüsterte fast.
„ Ja, watt denn nun? Sind wir hier beim Wunschkonzert?“
Gerda stemmte schwitzend zwei halbe Liter vor ihnen auf die
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