Kommissar Morry - An Alle Gesucht wird Moerder
Brondesbury und hatten bald die Straßengabelung von Willesden vor sich liegen. Wieder mußte Danny Horney die Geschwindigkeit seines Kabrios drosseln, denn hinter der Gabelung ging es in die weniger gut beleuchtete Sandringham-Street. Seltener wurden die an den Straßen stehenden Häuser. Je weiter sie nach Osten fuhren, um so freieres Gelände tauchte aus dem Dunst des Nebels vor den tastenden Scheinwerfern des Wagens auf.
Hinter den letzten vereinzelten Landhäusern von Willesden ging es nach rechts ab.
„Angelangt!“ tuschelte Danny Horney und ließ den Wagen an der linken Fahrbahnkante ausrollen.
„Zehn Minuten vor elf! — Ich muß die Eierchen fertigmachen. Steige aus, halte deine Ohren auf und sage mir sofort Bescheid, sobald sich jemand unserem Standplatz nähert! Sure, ich möchte keinen Zuschauer bei meiner Arbeit!“ murmelte er heiser.
Dabei nahm er vom Hintersitz des Kabrios die Tasche mit den mörderischen Kapseln hoch und breitete sie auf seinem Schoß aus. Beatrice Shannons Gesicht war von einer Sekunde zur anderen schneeweiß geworden. Während sie mit zittrigen Händen den Wagenschlag öffnete, fiel ihr Blick auf die von der Armaturenbeleuchtung erhellte Hand Danny Horneys. Drohend grinste ihr das dunkle Mündungsloch einer Parabellumpistole entgegen . . .
„Und keine Dummheiten, verstanden? Sonst . . .“
Es bedurfte nicht Danny Horneys Drohung, um Beatrice Shannon bei der Stange zu halten. Eine nie gekannte Furcht, allein in diesem trostlosen Grau de.r Nacht zurückzubleiben, hielt sie gefangen. Sie lehnte sich an das nebelfeuchte Metall des Wagens. Während sie so eine Zeitlang fröstelnd stand, stellte Danny Horney die Zündung an den einzelnen Sprengkapseln ein. Jedesmal zuckte sie zusammen, wenn es im Inneren des Wagen knarrte. Danny Horney zog die Spannfeder der Zündungseinrichtung an, es hörte sich aber an, als drehe er einen alten Wecker auf.
„Es ist soweit! Los, steig ein!“
Kaum hatte Beatrice Shannon Platz genommen, als der Wagen auch schon anrollte. Es waren keine zweihundert Yards mehr, und im Scheine des Wagenlichtes tauchte zur Rechten eine hohe Betonmauer auf. Die Abzäunung des Sperrgebietes lag vor ihnen. Das weitere spielte sich in rasender Geschwindigkeit ab. . . Kein Posten war zu sehen, als zischend fünfmal kurz hintereinander die in Danny Horneys Händen befindliche Spezialschleuder in Tätigkeit trat. Mit jedem Zischen flog einer der Sprengkörper weit in das Versuchsgelände hinein . . . Beatrice Shannon hatte die geschärften Kapseln durch das heruntergedrehte Wagenfenster hinausreichen müssen.
Nun hatte sie ihre Augen geschlossen und lag fast wie betäubt in ihrem Sitz. Sie war so erschüttert, daß sie nicht einmal mehr merkte, daß Danny Horney den Wagen mit erhöhter Geschwindigkeit über die Straße jagte. Nach zwei Minuten Fahrzeit glaubte sie in ihrem Trancezustand, in dem sie sich immer noch befand, ein heranziehendes Gewitter zu verspüren, Donnernd folgte Schlag auf Schlag. — Zunächst weit hoch im Norden, doch dann auch ganz in ihrer Nähe. Schrillend gellten die Alarmsirenen der Versuchsanstalt dazwischen...
„Es hat auch drüben geklappt!“ schrie Danny Homey mit spröder Stimme und trat das Gaspedal noch tiefer durch. Bevor die Straßen zum Versuchsgelände gesperrt wurden, waren sie aus Cricklewood heraus.
„Ich werde jetzt nach Bermondsey fahren. Morgen früh treffen wir uns wieder pünktlich im Geschäft! Klar! — Noch einen guten Rat von mir. Denke stets daran, daß wir von nun an im gleichen Boot sitzen. Etwas anderes gibt es nicht mehr. Und dann, einer Shannon nimmt kein Richter die Behauptung ab, sie wäre zu der eben von uns ausgeführten Tat erpreßt worden.“
Beatrice Shannon dachte nicht mehr daran, zur Polizei zu gehen. Sie wußte genau, daß Danny Horneys Worte nicht von ungefähr waren. Erschöpft und erschlagen ließ sie sich, in ihrem Zimmer angekommen, auf ihr Bett fallen und wünschte, nie mehr wieder aufstehen zu brauchen.
7
In Camden-Town, nahe des Alms-Ho, der kleinen grünen Oase inmitten des brodelnden und hektischen Verkehrs von London, saß in einem gemütlichen Heim ein Mann über eine Lektüre gebeugt und schlug soeben die vorletzte Seite auf. Sein Gesicht strahlte Ruhe und Zufriedenheit aus. Gemütlich zog er hin und wieder an einer Zigarette. Lange schon hatte sich der schweigsame Leser, der gerade einige Jahre das dritte Lebensjahrzehnt überschritten hatte, einen solch ruhigen und erholsamen
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