Kommissar Morry - An Alle Gesucht wird Moerder
Feierabend gewünscht. Heute nun war dieser Abend gekommen, und der sympathische Mann mit den klaren Augen hatte ihn auf seine Art verbracht.
Wer diesen Mann an diesem Abend in seinem Heim hätte beobachten können, der hätte es nicht für möglich gehalten, daß Londons Unterwelt allein schon bei der Erwähnung seines Namens in Schrecken und Angst geriet. Dagegen eine seiner vornehmen Visitenkarten zu erhalten, war schon gleichbedeutend mit einem kostenfreien Aufenthalt in einer Staatspension.
„Fünf nach elf!“ flüsterte er wie im Selbstgespräch, nachdem er die Lektüre zugeschlagen und einen Blick auf die Standuhr geworfen hatte.
Die fast aufgerauchte Zigarette zerdrückte er in einem Aschenbecher, erhob sich und ging hinüber ins Badezimmer. Kaum hatte er sein Hemd abgestreift, als das Telefon Sturm zu läuten begann. ,Aus mit der Ruhe', traf er instinktiv das Richtige, als er sich der unseligen Erfindung für ruhesuchende Menschen näherte.
„Hier Kommissar Morry!“ meldete er sich deswegen schon nicht mehr als Privatmann.
„Hallo, Sir! — Hier ist das Headquarier“, klang ihm die Stimme des diensttuenden Officers entgegen. „Ich muß Sie leider in Ihrem Feierabend stören. Ich tue es nicht gern, aber . ..“
„Nun! Lassen Sie bitte die lange Vorrede weg. Ich kann mir denken, daß Sie mich nicht aus irgendeinem nichtigen Grund anrufen. — Reden Sie frei von der Leber! — Wo brennt's diesmal?“
„Es brennt wirklich, Sir!“ begann nach den ermutigenden Worten Kommissar Morrys der Officer sein Anliegen vorzubringen.
„Auf Cricklewood ist ein Sprengstoffanschlag verübt worden. Soeben habe ich die Nachricht von Professor Rashleigh, dem Leiter der Versuchsanstalt, erhalten. Zwei der Werkshallen sollen in Flammen stehen.“
Kommissar Morry brauchte nicht lange zu überlegen. Die Worte „Sprengstoffanschlag auf Cricklewood“ riefen das von ihm geführte Sonderdezernat beim Scotland-Yard auf den Plan, und es war seine Aufgabe, die Klärung des Falles zu übernehmen. Während er sich bereits wieder sorgfältig ankleidete, kamen Schlag auf Schlag seine präzisen Fragen und Anweisungen durch den Draht. Es war nicht viel, was ihm der Officer mitteilen konnte. Er hatte von Professor Rashleigh nur die Nachricht erhalten, daß nach mehreren Detonationen zwei Hallen der Versuchsanstalt in Brand ständen. Die Ursachen der Explosionen an den verschiedensten Stellen im Versuchsgelände seien vorerst für den Wissenschaftler noch ein Rätsel. Sie konnten nach seinen Angaben nur auf einen Anschlag seitens einer außenstehenden Gruppe von fremdländischen Agenten zurückzuführen sein.
„All right! — Ich werde mir die Sache an Ort Stelle ansehen“, beendete Kommissar Morry das Gespräch mit dem Officer.
„Schicken Sie bitte drei Ihrer Leute nach Cricklewood. Sie sollen einen der Explosionsherde sichern und auf mich warten.“
„Ist schon geschehen, Sir! Die Männer müssen bald in Cricklewood sein.“
„Okay! Noch etwas — lassen Sie meinen guten Sudder ebenfalls aus dem Bett trommeln. Ich werde ihn sehr wahrscheinlich benötigen.“
„Wird gemacht, Sir!“
Er vergingen nur wenige Sekunden, da schlug Kommissar Morry bereits den Kragen seines Mantels hoch und trat in die Nacht hinaus. Feucht und kalt schlug ihm der dichte Herbstnebel ins Gesicht. Während er seinen Wagen bestieg, kreisten seine Gedanken schon um den neuen Fall. Bei diesem Sauwetter war es nach seiner Meinung den Gaunern gewiß nicht allzu schwer gefallen, bis dicht an das Versuchsgelände vorzudringen, und von hier aus ihre Arbeit aufzunehmen. Wie diese Arbeit vonstatten gegangen war, würde er schon sehr bald herausgefunden haben. Aber noch andere Gedanken kamen ihm. Vielleicht war der Anschlag auch von einem der Männer der Erprobungsstelle selbst ausgeführt worden? Wer konnte es wissen?
Der noch nicht allzu lange abgeschlossene Fall Dr. Jules Steenlunds tauchte in seiner Erinnerung auf. Auch dieser Mann hatte es nach dem derzeitigen Ermittlungsstande versucht, seine Vertrauensposition zu landesverräterischen Beziehungen mit einer fremden Macht auszunutzen. Wenn er auch damals die Ermittlungen gegen Dr. Steenlund nicht persönlich geführt hatte, so wußte er doch genau über diesen Fall Bescheid, der sich während seiner Abwesenheit aus London zugetragen hatte. Er war zu der Zeit, als man Dr. Steenlund vor die Schranken des Gerichts zerrte, in den Staaten gewesen. Einer Anforderung des Federal Bureau of Investigation
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