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Kommissar Morry - Der Judas von Sodom

Kommissar Morry - Der Judas von Sodom

Titel: Kommissar Morry - Der Judas von Sodom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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tuckern. Die Schraube wühlte das Wasser auf. Das Boot nahm Kurs auf die Mitte des Stroms. Die Gelben waren zurückgeblieben. Das Boot hatte nur Platz für zwei Personen. Marion Day stand beklommen neben Ernest Prince und starrte in den gespenstischen Nebel hinein. Sie hatte sich alles leichter vorgestellt. Es war gar nicht so einfach, durch diese graue Wand zu fahren. Jeden Moment konnten sie mit einem anderen Boot zusammenstoßen. Jeden Augenblick konnte die Polizei auftauchen. Am unheimlichsten aber war ihr das Wasser, das schwarz und tückisch zu ihr herauf blinkte. Es war fünfzehn bis zwanzig Meter tief. Auf seinem Grund vermoderte mancher Menschenkörper, den man bis jetzt nicht aufgefunden hatte.
    „Sollte irgendein Polizeiboot vor uns auftauchen, so weißt du ja, was du zu sagen hast“, murmelte Ernest Prince tonlos. „Ich habe dich zu einer Vergnügungsfahrt eingeladen. Kapiert? Wir sind ein Liebespaar. Wir kennen uns genau zwölf Monate. Wir wollen nur bis Millwall fahren und dann wieder zurück. Hast du das im Kopf?“
    „Ja“, sagte Marion Day gepreßt. Mehr konnte sie nicht sprechen. Der singende Wind verschlug ihr den Atem. Der kalte Nebel ließ sie unablässig erschauern.
    „Wie lange dauert es noch?“ fragte sie gepeinigt.
    „Drei Minuten noch. Wir sind gleich da.“
    Es dauerte wirklich nicht länger. Als sie in die Nähe des Millwall Pier kamen, hörten sie plötzlich ein dünnes Pfeifen. Gleich darauf sahen sie ein rötliches Blinksignal. Sie waren am Ziel. Die plumpen Umrisse eines Kutters tauchten aus der Nebelbrühe. Alles andere lief ab wie ein rasender Film. Die Pakete wurden blitzschnell auf das andere Boot verladen. Ein großes Bündel Geldscheine wechselte den Besitzer. Dann war der Spuk auch schon vorüber.
    „Na also“, meinte Ernest Prince geistesabwesend. „War es so schlimm? Ich glaube, hier verdienst du dein Geld leichter als in der Austern Bar. Ich gebe dir nachher zehn Scheine. Du kannst damit machen, was du willst.“
    Die Rückfahrt begann. Es blieb alles ruhig auf dem Strom. Manchmal hörten sie ein Nebelhorn in nächster Nähe. Manchmal geisterte auch ein dünner Lichtstrahl an ihnen vorüber. Aber sonst geschah nichts. Kein Polizeiboot verlegte ihnen den Weg. Kein Zollkutter machte Jagd auf sie.
    „Sind wir schon da?“ fragte Marion Day erstaunt, als das monotone Tuckern plötzlich erstarb. „Das ist doch gar nicht unser Landeplatz am Wapping Tunnel. Wo sind wir denn überhaupt?“
    Sie bekam keine Antwort. Der Mann neben ihr verhielt sich völlig ruhig. Er war plötzlich ganz nah. Sein Gesicht war ein blasser Fleck in der Dunkelheit. Seine Augen starrten gläsern durch sie hindurch.
    „Was ist denn?“ fragte Marion Day erschreckt. „Warum fährst du nicht weiter? Was wollen wir denn hier?“
    Sie sollte nie mehr eine Antwort auf diese Frage erhalten. Sie fühlte sich plötzlich von ihm hart umklammert. Das Boot begann gefährlich zu schlingern. Es schwankte auf und ab. Mein Gott, dachte Marion Day flüchtig. Was stelle ich mich auch so an. Ist denn etwas dabei, wenn er einen Kuß haben will. Schließlich bin ich jetzt meine Geldsorgen los. Das ist doch wichtiger als alles andere. Sie wehrte sich nicht länger. Sie gab sich willig hin. Sie rechnete ja nicht damit, daß es ein Judaskuß war, der sie vom Leben in den Tod begleitete. Mit geschlossenen Augen erduldete sie die Zärtlichkeiten. Sie rührte sich nicht. Erst als sie seine Hände auf ihrem Leib spürte, machte sie sich zur Abwehr bereit. Es war schon zu spät. Sie spürte seine Finger an ihrem Hals. Da auf einmal ahnte .sie, daß es ein Mörder war, neben dem sie die ganze Zeit gestanden hatte. Sie wollte gegen ihn kämpfen. Sie versuchte, ihn abzuschütteln. Sie stemmte sich mit allen Kräften gegen ihn. Aber es erging ihr nicht besser als den ändern. Ihre Bewegungen wurden müde. Sie erlahmte schon, noch ehe sie zum Zuge gekommen war. Halb ohnmächtig lag sie in seinen Armen. Der Schal um ihren Hals schnürte ihr den Atem ab. Entsetzt und fassungslos rang sie nach Luft. Das Hirn bekam keinen Sauerstoff mehr. Die Blutzufuhr war unterbunden. Die Ohnmacht näherte sich mit schwarzen Schwingen. Und dann geschah das Unfaßbare. Marion Day war schon halb gestorben, als sie über die Bordwand ins Wasser gestürzt wurde. Und trotzdem brachte sie es noch fertig, einen irren, gellenden Schrei auszustoßen. Dann erst verschluckte sie die trügerisch schillernde Flut. Mit diesem schrillen Todesschrei aber hatte

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