Kommissar Steen 01 - Unruhe
kümmern, sowohl der Bewohner der Häuser gegenüber als auch der Polizisten, die auf dem Friedhof im Einsatz gewesen waren. Des Weiteren würde er untersuchen, ob es Kollegen gab, die draußen auf der Straße patrouilliert und vielleicht etwas gesehen hatten. Schließlich sollte er Kontakt mit den Hubschrauberbesatzungen und den Leuten aufnehmen, die für die Filmaufnahmen zuständig waren. Er wollte gerade beginnen, die Leute für die Von-Tür-zu-Tür-Befragung einzuteilen, als Axels Blick auf die Eule auf der anderen Straßenseite fiel.
»Dort drüben … was zum Teufel …? Sie ist weg!«
»Wer ist weg?«, fragte der groß gewachsene hellblonde Polizist neben ihm.
»Die Kamera. Vor noch nicht mal einer Stunde war da oben auf dem Geländer noch eine Kamera.« Axel rief den Einsatzleiter zu sich. »Sagen Sie ihm, was Sie da oben gesehen haben!«
»Da war eine Kamera auf dem Geländer. Jedenfalls sah es so aus.«
»Los, sehen wir nach, wo zum Henker sie geblieben ist«, sagte Axel.
Darling folgte Axel durch das Eingangstor und über die Nørrebrogade.
»Ich gehe davon aus, dass du Logbuch geführt hast?«, hörte Axel Darlings Stimme hinter sich.
»Nein, dazu hatte ich keine Zeit. Du kannst das gerne übernehmen.«
»Du weißt, dass es gemacht werden muss, und zwar von Anfang an. Du kriegst Ärger mit Corneliussen deswegen. Das ist nicht nur irgendein unnötiger Mist. Es ist ein wichtiges Instrument, wenn was schiefgeht oder uns irgendein Anwalt vor Gericht an den Karren fahren will.«
Axel hielt nicht viel von Papierkram in dieser Phase einer Mordermittlung – schon gar nicht vom Logbuch, in dem registriert wurde, wer sich wann am Tatort aufhielt, wer was tat und wann es getan wurde. Es wurde normalerweise von einem Kriminalassistenten geführt, aber da Axel alleine gewesen war,hätte er einen der Uniformierten damit beauftragen müssen. Das war ein Fehler gewesen.
»Ich war alleine. Ich hatte zu tun. Dann holen wir es halt nach, wenn wir hier fertig sind.«
»Wenn du eine Übersicht über die ersten vier Stunden machst, übernehme ich den Rest. Nur unter uns: Corneliussen hat die Messer gewetzt und wartet nur darauf, dass du den kleinsten Fehler machst. Er hat mich angewiesen, dich im Auge zu behalten.«
Daran hatte Axel keinen Zweifel. Corneliussen sammelte Fehler, um ihn in eine andere Abteilung abschieben oder am besten gleich aus dem Polizeikorps eliminieren zu können. Axel schauderte bei dem Gedanken, auf irgendeine Polizeiwache in Jütland versetzt oder im Europol-Mausoleum in Den Haag entsorgt zu werden.
Darling drückte auf sämtliche Klingelknöpfe, und sie warteten, bis einer der Hausbewohner sie einließ. Axel blieb vor einem Schwarzen Brett stehen, an dem verschiedene Mitteilungen hingen, darunter die Rufnummer des Hausmeisters. Er tippte sie in sein Mobiltelefon, und sie stiegen die Treppe hinauf.
»Na, da hat er ja den richtigen Spürhund darauf angesetzt, bei einem Fehler hast du mich ja schon erwischt. Warum gibst du ihm nicht einfach, was er haben will?«
»Weil ich dich respektiere. Du bist ein erfahrener Ermittler und ein guter Kollege. Du weißt nur nicht, wo die Grenze verläuft, deshalb überschreitest du sie auch andauernd. Vielleicht weißt du es sogar, ignorierst das aber mit Absicht. Und das gefällt mir nicht.«
Sie hatten die oberste Etage erreicht. Eine Stahltreppe führte hinauf zur Terrasse. Die Tür am Ende der Treppe war älteren Datums, und sie war abgeschlossen. Axel holte sein Handy hervor, um den Hausmeister anzurufen. Nach dem vierten Klingeln sprang ein Anrufbeantworter an. Er schob das Telefon zurück in die Innentasche seiner Jacke. Darling wollte gerade etwas sagen, als Axel sich mit beiden Händen am Treppengeländer festhielt und der Tür einen kräftigen Tritt versetzte. Holz splitterte, das Schloss gab nach und die Tür flog auf und wurde dabei aus der unteren Angel gerissen.
»Ich muss schließlich was tun für meinen Ruf«, sagte er zu John Darling, der ihm kopfschüttelnd folgte.
Die Luft war klar und kalt, als sie die Dachterrasse betraten. Die Häuser Kopenhagens haben fast durchgehend fünf Etagen. Die fünf Stadtviertel, die das Zentrum Indre By umgeben, nämlich Nørrebro, Østerbro, Frederiksberg, Vesterbro und Amager bestehen hauptsächlich aus Wohnhäusern aus der Zeit um 1900, Backsteinbauten mit holländischen Fenstern, Erkern, Treppenaufgängen und schrägen Schiefer- oder Ziegeldächern. Dachterrassen gibt es nur wenige. Von
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